Sozialwahl - Fehlt den Versicherten nur mehr Transparenz? Von Ruppert Mayr, dpa

Die Sozialwahl ist für viele Versicherte ein Buch mit sieben Siegeln.
Wer wird gewählt? Was bringt die Wahl? Der Sozialwahl fehlt ganz
offensichtlich die nötige Transparenz.

Berlin (dpa) - Zehn Renten- und Krankenversicherungsträger bitten
Versicherte und Rentner sowie Mitglieder zur Sozialwahl 2017 - nur
zehn. Die anderen machen eine sogenannte Friedenswahl ohne echten
Wahlgang. Sie kungeln eine Kandidatenliste aus, die dann gewählt wird
«ohne Wahlhandlung», wie das genannt wird. Der Vorwurf des Mauschelns
steht also im Raum. Das ist nicht gerade förderlich für die
Wahlbeteiligung. Die Bundesbeauftragte für die Sozialwahl, Rita
Pawelski, forderte denn auch am Dienstag diese Versicherungsträger
auf, sich ebenfalls einer Urwahl ihrer Parlamente zu stellen oder
zumindest mehr Transparenz bei diesen Friedenswahlen einzuhalten.

Was ist die Sozialwahl?

Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind selbstverwaltet. Das
heißt, sie sind keine staatlichen Behörden, sondern eigenständige
Körperschaften und haben deshalb ihre eigenen Parlamente. Bei der
Sozialwahl wählen Rentenversicherte und Rentner sowie
Krankenkassenmitglieder die Vertreterversammlung sowie den
Verwaltungsrat. Der Gesetzgeber hat die Sozialwahl als festen
demokratischen Bestandteil in Deutschland verankert. Sie trägt seit
1953 zum Interessenausgleich und zum sozialen Frieden bei. Die
Sozialwahl ist nach der Bundestagswahl und der Europawahl die
drittgrößte Wahl in Deutschland. Sie findet alle sechs Jahre statt.

Wer wird gewählt?

Bei der Sozialwahl kandidieren Versicherte. Die Kandidaten werden
aber nicht direkt gewählt, sondern sie treten gemeinsam in Listen an.
Die Zusammenstellung der Listen übernehmen Organisationen wie
Gewerkschaften oder andere Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- und
berufspolitischen Zielen. Versicherte können auch Freie Listen
aufstellen. Alle gewählten Vertreter engagieren sich ehrenamtlich.

Hier setzt die Kritik mangelnder Transparenz an. Auf Arbeitgeberseite
gibt es nur eine einzige Kandidatenliste, die dann automatisch
gewählt wird. Auch auf Versichertenseite wird häufig für ein
Parlament nur eine einzige Liste ausgekungelt, vorzugsweise von
Gewerkschaften. Demokratische Wahlen sehen anders aus. Und:
Versicherte beziehungsweise Rentner bekommen auf diese Weise von der
Sozialwahl oft gar nichts mit.

Was machen die gewählten Vertreter?

Man könnte sagen: In Deutschland legt der Gesetzgeber die
Rahmenbedingungen für das Renten- und Krankenversicherungssystem
fest. Die Selbstverwaltung füllt diesen Rahmen aus. Sie entscheidet
unter anderem über den Haushalt, die Gestaltung neuer Leistungen,
über Zusatzbeiträge oder auch über Fusionen. Und sie beruft den
Vorstand. In den Parlamenten haben Vertreter von Rentenversicherten
und Rentnern sowie Krankenversicherungsmitgliedern auf der einen und
Vertreter der Arbeitgeber auf der anderen Seite in der Regel im
Verhältnis 15 zu 15 Sitz und Stimme. Bei einigen kleineren
Krankenkassen gibt es Ausnahmen. Dieses Stimmverhältnis kann sich
gegenseitig blockieren, so dass politischer Einfluss begrenzt bleibt.

Wer ist bei wem wahlberechtigt?

2017 bestimmen um die 52 Millionen Versicherte und Rentner darüber,
wer bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Deutschen
Rentenversicherung Saarland und bei den Ersatzkassen Barmer, TK,
DAK-Gesundheit, KKH und hkk in den Parlamenten sitzt. Wahlberechtigt
ist, wer am 1. Januar 2017 das 16. Lebensjahr vollendet hat. Bei
etlichen regionalen Rentenversicherungsträgern und vielen
Krankenversicherungen gibt es dagegen die umstrittene «Friedenswahl».

Ausländische Rentenversicherte und Rentner sowie Mitglieder von
Ersatzkassen mit Wohnsitz in Deutschland können ebenfalls an den
Urwahlen teilnehmen, ebenso wie Versicherte und Rentner sowie
Mitglieder mit Wohnsitz in der EU oder der Schweiz.

Wie wird gewählt?

Die Sozialwahl ist eine reine Briefwahl. Die Wahlunterlagen werden in
diesen Tagen per Post zugestellt. Stichtag ist 31. Mai 2017.
Mitglieder der Barmer erhalten wegen der Fusion von Barmer-GEK und
Deutscher BKK zum 1. Januar die Wahlunterlagen erst Anfang September
2017. Die Frist endet bei ihnen am 4. Oktober 2017. (Entsprechend
sind dort alle Mitglieder wahlberechtigt, die am 1. Mai das 16.
Lebensjahr vollenden.)

Warum also Sozialwahl?

Wesentlicher Grund dürfte nach wie vor sein, dass man der Politik
nicht allein die wichtigen Zukunftsthemen Rente und Gesundheit
überlassen sollte. Zudem sollten Rentenversicherte und Rentner sowie
Krankenkassenmitglieder rechtzeitig bei ihren Versicherungsträgern
nachfragen, wie es um die Sozialwahl 2023 steht.