Drei Jahre vertrauliche Geburt - Ist die Babyklappe noch nötig? Von Wiebke Dördrechter, dpa

Im Mai 2014 trat in Deutschland das Gesetz zur vertraulichen Geburt
in Kraft - es sollte eine Alternative zur umstrittenen Babyklappe
sein. Experten ziehen ein unterschiedliches Fazit.

Hamburg (dpa) - Gut versteckt und vor Blicken geschützt befindet sich
an der Außenseite des alten Rotklinkergebäudes im Hamburger Stadtteil
Altona eine schlichte Metallklappe. Darüber wird in großen Lettern
auf ihre Funktion hingewiesen: Verzweifelten Müttern soll sie die
Möglichkeit bieten, hier anonym ihr Neugeborenes abzugeben. Hinter
der Klappe verborgen ist ein Wärmebett mit buntem Bettbezug.

Nach dem Hineinlegen lässt sich die Klappe nicht erneut öffnen. Ein
Alarm informiert das medizinische Personal, das zunächst via Kamera
prüft, was in dem Bettchen liegt. «Der Außenbereich ist jedoch nicht

mit einer Kamera versehen. Es muss also niemand fürchten, dabei
beobachtet zu werden, wie er ein Kind ablegt», sagte Axel von der
Wense, Leitender Arzt im Altonaer Kinderkrankenhaus. Seit Ende 2014
sei kein Baby mehr abgegeben worden.

Nach einer Reihe von Neonatiziden, also der Tötung von Neugeborenen
unmittelbar nach der Geburt, eröffnete im Jahr 2000 in Hamburg die
erste Babyklappe. Mittlerweile gibt es bundesweit fast einhundert
Klappen, in Hamburg sind es vier. Zeitgleich mit der Inbetriebnahme
der ersten Klappe meldeten sich auch Kritiker zu Wort. Neonatizide
würden dadurch nicht verhindert, vielmehr sei die Babyklappe eine
bequeme und einfache Lösung für Eltern, sich ihrer Kinder zu
entledigen, ohne für sie Verantwortung übernehmen zu müssen,
bemängeln viele Experten.

Offizielle Zahlen zur Tötung Neugeborener in Deutschland gibt es
nicht. «Da Neonatizide nicht unter einen eigenen Straftatbestand
fallen und statistisch nicht gesondert erhoben werden, ist eine
Nennung von Zahlen nicht möglich», erklärt Enrico Ickler, Referent
von Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). Das
Kinderhilfswerk Terres des Hommes erstellt seit Jahren anhand von
Medienauswertungen eigene Statistiken. Demnach gibt es seit der
Einführung der Klappen keinen Rückgang von getöteten Neugeborenen.

Als Alternative wurde am 1. Mai 2014 das «Gesetz zum Ausbau der
Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt»
verabschiedet. Es soll einen Kompromiss sein zwischen der
Schutzbedürftigkeit der Mutter und dem Recht des Kindes, seine
Herkunft zu erfahren.

Anders als bei der Abgabe in der Babyklappe, wo die Mutter anonym
bleiben kann, hat das Kind bei der vertraulichen Geburt im Alter von
16 Jahren das Recht zu erfahren, wer seine leibliche Mutter ist. Laut
Bundesfamilienministerium gab es seit Einführung des Gesetzes 308
vertrauliche Geburten in Deutschland. «Allerdings wurde in 19 Fällen
das Verfahren der vertraulichen Geburt durch die spätere Aufgabe der
Anonymität seitens der Mutter rückgängig gemacht», sagt eine
Ministeriumssprecherin.

In Hamburg haben Schwangere die Möglichkeit, sich etwa beim
Familienplanungszentrum beraten zu lassen. Die dort tätige
Psychologin Marina Knopf sagt, sie habe in den vergangenen zwölf
Monaten drei vertrauliche Geburten begleitet. Entgegen weit
verbreiteten Annahmen seien die Frauen «nicht am Rand der
Gesellschaft einzuordnen», sagt sie. Viel mehr kämen sie aus allen
Schichten und Altersgruppen.

Die Psychologin hält nicht viel von Babyklappen. «Dadurch werden
keine Babys gerettet», sagt sie. Kinderarzt von der Wense erläutert:
«Ich denke, wer sich informieren möchte, wo er sein Kind unterbringen
kann, ohne selbst die Verantwortung dauerhaft übernehmen zu müssen,
der findet diese Möglichkeiten. Ich glaube aber ehrlich gesagt, dass
es keine Schnittmenge zwischen den Müttern, die ihr Baby in der
Babyklappe abgeben und den Müttern, die ein Tötungsdelikt verüben,
gibt.»

Zudem könne nicht kontrolliert werden, wer das Baby abgibt. Ist es
statt der Mutter vielleicht der Vater oder ein anderes
Familienmitglied? «Auch die vertrauliche Geburt sollte lediglich eine
Zwischenlösung sein. Sie ist aber zumindest juristisch korrekter»,
sagt Michael Heuer von Terre des Hommes.

Es gibt auch Befürworter, die an der Idee der Babyklappe festhalten.
«Ohne solche Optionen könnte es mehr Aussetzungen geben», sagt der
medizinische Sprecher der Asklepios Klinik Wandsbek, Franz Jürgen
Schell. In der Babyklappe des Krankenhauses wurden demnach seit 2013
zehn Neugeborene abgegeben. Zwar sei die vertrauliche Geburt die
bessere Lösung, jedoch «vertrauen manche Frauen den Ärzten nicht und

nehmen das Angebot daher nicht an», sagt Schell.