Sieben Wochen Verzicht - Mehrheit findet Fasten sinnvoll Von Jörg Schurig, dpa

Fasten für Gott oder Gesundheit: Nicht nur für religiöse Menschen
beginnen magere Zeiten. Bis Ostern wollen sie auf liebgewonnene Dinge
verzichten - auch wenn es nur Süßes ist.

Dresden (dpa) - Manchmal bleibt es nur ein guter Vorsatz und auch die
Zahl der Abbrecher ist unbekannt: Doch am Aschermittwoch sind die
fetten Zeiten für viele Menschen in Deutschland erst einmal vorbei.
Bis Ostern heißt es fasten, was allerdings mehr oder weniger streng
ausgelegt wird. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage für die
Krankenkasse DAK ist zumindest mehr als die Hälfte der Deutschen (55
Prozent) vom Fasten überzeugt. 15 Prozent halten einen Verzicht auf
bestimmte Genussmittel und Gewohnheiten aus gesundheitlicher Sicht
sogar für «sehr sinnvoll», 40 Prozent immerhin noch für «sinnvoll
».
Fastenmuffel sind 42 Prozent der Befragten.

Der Brauch des Fastens ist Jahrtausende alt. Zum einen kann er
zeitweiligen Verzicht auf Nahrung oder deren Reduzierung bedeuten. In
einigen Kulturen geht es darum, bestimmten Speisen wie Fleisch oder
Fisch ständig oder vorübergehend zu entsagen. Die Gründe sind so
vielfältig wie die Möglichkeiten des Verzichts. Den einen dient er
als Vorbereitung auf religiöse Feste und Riten. Andere wollen damit
den Körper «reinigen» oder per Fasten-Askese Willenskräfte bündel
n.
Zudem wird die Enthaltsamkeit als Medium verstanden, Zustände der
Ekstase und damit den Kontakt zum Göttlichen herzustellen.

Bei den großen Weltreligionen ist Fasten meist an bestimmte Tage oder
Perioden gebunden. Der Islam verlangt es im Ramadan, dem neunten
Monat des muslimischen Mondjahres. Eine besonders strenge Auslegung
schreibt der Buddhismus vor: Die meisten buddhistischen Mönche nehmen
das ganze Jahr über nur eine Mahlzeit am Vormittag ein. Im Alten
Testament galt Fasten als Akt der Demut und Buße. Eine solche Askese
sollte Vollkommenheit bringen und den zornigen Gott gnädig stimmen.
Das junge Christentum übernahm den Brauch und modifizierte ihn. Bei
den Katholiken gelten die Wochen vor Ostern als Fastenzeit.

Doch auch Atheisten «solidarisieren» sich in dieser Zeit gern mit den
Christen. Sie halten aus gesundheitlichen Erwägungen Maß, wollen
ihrem Körper einfach mal was Gutes tun. Forsa fragte bei der jüngsten
Erhebung auch nach, auf was die Fastenwilligen am ehesten verzichten
wollen. Am häufigsten wurden Alkohol (68 Prozent) und Süßigkeiten (59

Prozent) genannt. Fleisch (39) folgt an dritter Stelle vor Fernsehen
und Rauchen (je 34). Etwa jeder Fünfte (18 Prozent) will am ehesten
das Auto in der Garage lassen. Fast ein Viertel der Betroffenen (23
Prozent) gab eine abgespeckte Nutzung von Computer & Co an.

Experten plädieren für den Verzicht auf Alkohol oder Fleisch aus
gesundheitlichen Erwägungen. «Natürlich macht das Sinn. Es senkt die

Harnsäure und Cholesterinwerte, der Blutzucker reguliert sich und das
Geschmacksempfinden verbessert sich», erklärt die Chemnitzer
Ernährungsberaterin Candy Cermak. Die Alkohol-Abstinenz führe zu
einer Entgiftung des Körpers. In der Fastenzeit könne man sich wieder
mehr auf das Wesentliche konzentrieren - auf sich, die Familie oder
ein gutes Buch. Cermak spricht von Entschleunigung. Zudem gebe es
einen schönen Nebeneffekt: «Meist purzeln auch noch ein paar Pfunde.»


Ein Risiko birgt die plötzliche Umstellung der Ernährungsgewohnheit
aus Sicht von Cermak nicht. Wer wie beim Heilfasten aber komplett auf
feste Nahrung verzichten wolle, solle das unbedingt unter Aufsicht
eines Fastentrainers tun: «Am besten, man nimmt sich dafür Urlaub,
eine Auszeit ohne Ablenkung.» Generell gelte in der Fastenzeit eine
ausgewogene und abwechselungsreiche Ernährung - dann fehle es auch
nicht an den benötigten Nährstoffen. Das Eisen im Fleisch könne man
beispielsweise mit pflanzlichen Lebensmitteln kompensieren: «Riskant
sind dagegen Crash-Diäten und einseitige Ernährung.»

«Ja, man braucht eine Eingewöhnungszeit und Willensstärke, denn die
Verführung lauert überall», berichtet Claudia Szymula, Sprecherin der

Krankenkasse Barmer in Sachsen, von Erfahrungen in ihrer Familie. In
den ersten Tagen sei der Drang groß, in die alten Gewohnheiten
zurückzufallen. Es helfe aber, wenn dann die anderen einen an die
guten Vorsätze erinnern: «Fasten in der Gruppe ist leichter.» Nach
geraumer Zeit werde der Verzicht immer einfacher: «Gleichzeitig
hatten wir alle nach der bestandenen Fastenzeit ein stolzes Gefühl,
es geschafft zu haben. Ganz nach dem Motto: Wenn ich nur will, kann
ich alles ändern.»