«Ich träume vom Rennen»: Gang-Labor hilft Tanya beim Gesundwerden Von Catherine Simon, dpa
Die Filmbranche nutzt Hochgeschwindigkeitskameras, um Trickfiguren
realistische Bewegungen zu verleihen. Ärzten helfen sie dabei,
Krankheiten besser zu verstehen - bei Gang-Analysen im Labor.
Schwarzenbruck (dpa) - Als Tanya Markova zwölf Jahre alt war, änderte
sich ihr Leben auf einen Schlag. Wegen einer seltenen Infektion des
Rückenmarks war die Bulgarin von einem Moment auf den anderen
komplett gelähmt. «Ich wachte eines Tages auf, wollte meine Klamotten
anziehen und zur Schule gehen», berichtet die heute 24-Jährige. Doch
plötzlich habe sie einen starken Schmerz im Rücken gespürt und sich
noch einmal ins Bett gelegt. Als sie zwei Stunden später aufstehen
wollte, konnte sie weder Arme noch Beine bewegen.
Viele Jahre, monatelange Rehas und zwei Operationen brauchte die
Studentin, um sich zurück in ein halbwegs normales Leben zu kämpfen.
Eine genaue Analyse ihres Ganges im Labor soll sie weiter
voranbringen.
Denn noch heute macht der 24-Jährigen das rechte Bein Probleme. Tanya
kann nur langsam gehen, mühsam setzt sie einen Fuß vor den anderen.
Eine weitere OP soll ihr nun helfen. «Ich möchte endlich wieder
rennen können. Ich träume jede Nacht davon», sagt die junge Frau.
Ihre Ärzte vom Krankenhaus Rummelsberg in Schwarzenbruck bei Nürnberg
setzen dafür auf ein Labor zur Gang-Analyse. In dem großen Raum sind
acht Hochgeschwindigkeits-Kameras mit jeweils zwei Megapixeln
Auflösung installiert. Sie nehmen 100 Bilder pro Sekunde auf - viel
mehr, als das menschliche Auge wahrnehmen kann. So entsteht ein
dreidimensionales Bild von Tanya am Computer, das die Ärzte in ganz
langsamer Zeitlupe und aus allen möglichen Blickwinkeln betrachten
können. Sechs Kameras hängen unter der Decke, zwei auf Hüfthöhe.
Tanya muss für die Analyse einige Male im Raum auf und ab gehen. Der
Sportwissenschaftlerin Verena Hirschmann und dem Orthopäden Walter
Strobl helfen die Bilder bei der Diagnose. «Eine Patientin wie Tanya
muss man genau analysieren», sagt Strobl. Das Ergebnis bei Tanya: Die
Muskulatur im rechten Oberschenkel spannt sich zu stark an, ihre
Fußhebemuskeln dagegen sind zu schwach. Bei einem Eingriff soll der
eine Muskel nun gedehnt und der andere verkürzt werden.
Die meisten Labors arbeiten mit Infrarot und reflektierenden Markern,
die auf die Haut des Patienten geklebt werden. Auch in Rummelsberg
mit der Kameratechnik kommen die Plastikkugeln noch standardmäßig zum
Einsatz. «Wir wollen aber von den Markern wegkommen und künftig die
Silhouette des Patienten analysieren», sagt Strobl. «Dafür sammeln
wir als eines der ersten Zentren weltweit Erfahrungen.» So soll die
Untersuchung einfacher werden. Denn bei manchen Menschen mit starken
Lähmungen ist es schwierig, sie mit den vielen kleinen Plastik-Kugel
zu bekleben. Neue Software erkennt die Gelenkpunkte auch ohne Marker.
Für wissenschaftliche Studien seien diese Bilder jedoch noch nicht zu
verwenden.
Diese Technik ohne Marker habe klare Vorteile, sagt Dieter Rosenbaum
vom Universitätsklinikum Münster: «Man muss die Leute nicht bis auf
die Unterwäsche ausziehen, es geht schneller und man hat die
Hoffnung, dass es auch günstiger ist.» Nun müssten die Rummelsberger
zeigen, dass ihre Ergebnisse vergleichbar sind.
Gang- oder Bewegungsanalyse-Labors sind nicht neu. Schon in den
1960er Jahren habe es erste Ansätze dazu gegeben, sagt Strobl. Bei
der Gesellschaft für die Analyse Menschlicher Motorik in ihrer
klinischen Anwendung (Gamma) sind 18 Labors in Deutschland
registriert, außerdem vier in Österreich und der Schweiz. Einige
Labors, wie das in Münster, sind hier jedoch nicht verzeichnet.
Genutzt werden sie vor allem bei schweren Fehlbildungen,
Muskelschwächen und Gangstörungen, wie sie Patienten mit
Kinderlähmung, Parkinson oder nach einem Schlaganfall haben. Im etwa
250 000 Euro teuren Labor in Rummelsberg werden etwa 20 Analysen pro
Woche gemacht. «Die Ganganalyse muss aber immer mit einer
medizinischen Untersuchung kombiniert werden», betont Strobl.
Felix Stief von der Orthopädischen Universitätsklinik Friedrichsheim
in Frankfurt sagt: «Das Wichtigste ist, dass man die Daten
interdisziplinär betrachtet - am besten mit einem Arzt, einem
Physiotherapeuten oder Sportwissenschaftler oder auch mit einem
Physiker.»
Einer der entscheidenden Vorteile der Labor-Analyse im Vergleich zur
normalen Diagnostik: Die Daten seien objektiv. Sie geben etwa genaue
Winkelwerte an. Wie stark rotiert die Hüfte nach innen? Wie stark
pendelt der Oberkörper? «Damit kann man der Krankenkasse auch
nachweisen, ob eine Behandlung etwas gebracht hat», sagt Stief.
Tanya erhofft sich von der OP endlich wieder ein «normales Leben».
Sie will später Kinder haben. «Und da muss man doch auch mal schnell
laufen können», sagt sie.
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