Wenn die Leichenschau schief läuft Von Bernadette Winter, dpa

Ist die verstorbene Oma tatsächlich friedlich eingeschlafen? Klären
kann das nur ein Arzt. Das Gesetz regelt, wie solche Leichenschauen
ablaufen. Doch nicht immer wird die Todesursache erkannt.

Limburg/Frankfurt (dpa) - Der Sarg liegt bereit, die Leiche ist für
die Beerdigung präpariert. Doch dann schlägt der Bestatter Alarm: A
us
dem Sarg tropft eine rote Flüssigkeit. Bei der Obduktion stellt der
Chef der Frankfurter Rechtsmedizin, Marcel Verhoff, fest: «Die Leiche
hat eine Stichverletzung am Rücken.» Das Blut hatte sich im Brust
korb
gesammelt. Zuvor hatte ein anderer Arzt einen natürlichen Tod
bescheinigt.

Was sich in Gießen vor einigen Jahren abspielte, ist kein Einzelfall.
Ab Montag (10. Oktober) steht in Limburg eine 56 Jahre alte Frau vor
dem Landgericht, die eine 84-jährige Verwandte ermordet haben soll.
Zunächst hatte auch in diesem Fall ein Arzt einen natürlichen Tod
festgestellt, wie der Verteidiger der 56-Jährigen angibt. Dann seien
Verwandten jedoch Verletzungsspuren an der toten 84-Jährigen
aufgefallen. Die anschließende Obduktion habe unter anderem einen
Kehlkopfbruch ergeben.

«In der Polizeiarbeit sind solche Fälle eher die Ausnahme», sagt
Andreas Grün, hessischer Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft
GdP. Die Polizei beginnt mit ihren Ermittlungen erst dann, wenn ein
Arzt bei der ersten Leichenschau Zweifel hat. Seine Einschätzung ist
für die Frage natürlicher oder nicht-natürlicher Tod ausschlaggeb
end.

Soll eine Leiche verbrannt werden, ist eine zweite Leichenschau
Pflicht. Diese dürfen - im Gegensatz zur ersten - nur qualifizierte
Leichenbeschauer, Amtsärzte oder Rechtsmediziner vornehmen. In einer
Studie hatte 2012 Tanja Germerott, Oberärztin am Institut für
Rechtsmedizin in Hannover, herausgefunden, dass in Hannover in zehn
Jahren 387 Tote nach der zweiten Leichenschau obduziert wurden. In
14,2 Prozent der Fälle war fälschlicherweise eine natürliche Tode
sart
angenommen worden. 

Häufig werde bei der Leichenschau nicht so genau hingeschaut, sagt
Rechtsmediziner Verhoff. Zwar sei der Hausarzt aus medizinischer
Sicht am besten geeignet, die Situation korrekt einzuschätzen.
«Gerade bei alten Menschen ist er aber auch befangen, weil er die
Angehörigen kennt und die ihn bedrängen.» 

Das größte Problem sei, dass die Leichenschau bei Ärzten sehr
unbeliebt sei und nicht gut bezahlt werde, sagt Verhoff. So würden in
Deutschland nur ein bis zwei Prozent aller Verstorbenen obduziert.
«Das ist aus meiner Sicht viel zu wenig.» Forderungen seitens der
Politik, die Leichenschau nur noch von professionellen
Rechtsmedizinern machen zu lassen, sieht Verhoff kritisch. «Dafür
müssten wir erst einmal das Personal ausbilden.» 

Die Leichenschau gilt unter Ärzten als letzter Dienst am Patienten.
«Sie ist aber auch ein Dienst am Lebenden», erläutert Verhoff. So
könnten beispielsweise Strom oder Kohlenmonoxid die Todesursache
sein. «Bleibt das unentdeckt, stirbt vielleicht erneut ein Mensch.»
Manchmal führen seine Entdeckungen die Polizei auf die richtige
Fährte. Als Verhoff an einem angeblich natürlich verstorbenen
Menschen ein laienhaft aufgeklebtes Pflaster auf der Brust entdeckt,
sieht er noch genauer hin. «Es war eine glatte Einstichwunde
darunter. Die Polizei hat dann herausgefunden, dass es ein Suizid war
und der Sohn das verbergen wollte.»

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