HIV-positiv im Südsudan: Versorgung nur bei Waffenruhe Von Anna Kerber, dpa

In einem Zelt erfolgt der Schnelltest. Die Beratung findet im Freien
statt. Im Krisenstaat Südsudan testet eine mobile Klinik Menschen auf
das HI-Virus - wenn es die Sicherheitslage erlaubt.

Yambio (dpa) - Der Südsudanese Paul Enosa atmet auf. Sein
Testergebnis ist negativ. Zwei seiner Freunde hatten kürzlich
erfahren, dass sie HIV-positiv sind. Alle drei haben öfter mit
denselben Mädchen geschlafen, erzählt der 17-Jährige. Seine Freunde
wollen es nicht wahrhaben. «Sie wollen es anderen nicht sagen und die
Krankheit weiter verbreiten», sagt Enosa. «Sie wollen nicht alleine
sterben», laute ihre Erklärung für den weiterhin ungeschützten Sex.


Hier in Nambiri im Westen des Südsudan sitzen noch etwa zehn Frauen
und Männer im Schatten von Teak-Bäumen auf klapprigen Plastikstühlen

vor dem Zelt der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Sie
warten teils unruhig auf ihr Testergebnis. Der globale Kampf gegen
HIV und die vom Virus ausgelöste Immunschwächekrankheit Aids kann nur
gelingen, wenn Helfer auch so abgeschiedene Orte wie Nambiri
erreichen. Menschen müssen aufgeklärt, getestet und wenn nötig
behandelt werden. Dafür setzt sich der Global Fund ein.

Bei der Geberkonferenz des Fonds in Montreal am Freitag (16.
September) treffen sich Vertreter aus aller Welt, um Gelder für den
Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria zu mobilisieren. Bei vielen
westlichen Gebern scheint sich jedoch eine gewisse «Aids-Müdigkeit»
eingeschlichen zu haben: Die Mittel gehen zurück.

Um das von der internationalen Gemeinschaft beschlossene Ziel zu
erreichen, HIV, Tuberkulose und Malaria bis 2030 zu besiegen, hofft
der Global Fund auf 13 Milliarden Dollar (rund 11,6 Milliarden Euro)
für den Zeitraum von 2017 bis 2019. Deutschland hatte seit 2002
insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro beigesteuert und ist damit hinter
den USA, Frankreich und Großbritannien das viertgrößte Geberland.

Es ist Markttag in Nambiri. Händler preisen frisches Gemüse,
frittierte Bananen und getrockneten Fisch an. Aus dem Lautsprecher
eines Kiosks dröhnt laute Musik. Mit einem Megafon ruft ein
MSF-Mitarbeiter den kostenlosen HIV-Test aus. Zwischendurch spielt er
den Song eines Musikers aus der Gegend, John Namasi, der Menschen zum
Testen auffordert. Seit Juli 2015 kämen monatlich bis zu 700 Menschen
für einen Test in die mobile Klinik, sagt Arzt Vincent Descalzo.

Die 37-jährige Joyce Simon ging eine gute Stunde zu Fuß - nur für den

Test. Fünf ihrer neun Kinder habe sie bereits verloren. Sie möchte
nicht, dass ein weiteres wegen einer Krankheit stirbt, die man
behandeln kann, erzählt sie. Die Menschen hier gingen sehr offen mit
HIV um, erklärt MSF-Mitarbeiter Nhial Gatkuoth. Es gelte die
Einstellung: Das ist eine behandelbare Krankheit wie andere auch.

Nach Angaben des Global Fund werden rund 15 000 HIV-positive Menschen
im Südsudan mit Viren-hemmenden Medikamenten behandelt, die einen
Ausbruch von Aids verhindern. Rund 61 Millionen US-Dollar hat der
Fonds nach eigenen Angaben seit 2005 zur Bekämpfung von Aids im
Südsudan ausgezahlt. Weltweit infizieren sich jährlich noch immer
über zwei Millionen Menschen mit dem HI-Virus, rund 1,1 Millionen
sterben jedes Jahr an den Folgen von Aids, vor allem in Afrika.

In der Provinz Western Equatoria sind nach Angaben örtlicher Behörden
rund sieben Prozent der Bevölkerung HIV-positiv. Das spiegele die
Wirklichkeit jedoch nicht wieder, wendet der 29-jährige Gatkuoth ein.
«Es gibt keine zuverlässigen Statistiken.» In einem Land, in dem seit

Jahren Bürgerkrieg herrscht, könne man sich nicht auf diese Daten
verlassen. Besonders in der an Handelsrouten mit dem Kongo gelegenen
Provinz sei die Infektionsrate wegen der vielen dort arbeitenden
Prostituierten hoch.

Die in der Provinz gelegene Kleinstadt Yambio erreicht man mit einem
Propellerflugzeug von Südsudans Hauptstadt Juba aus in einer guten
Stunde, gelandet wird auf holpriger Sandpiste. Das Dorf Nambiri liegt
nochmals eine Autostunde von Yambio entfernt. Im grünen Dickicht, das
die sandigen Straßen umgibt, wachsen Mangos, Cassava, Erdnüsse,
Wassermelonen und Ananas.

Die Region gilt als die Kornkammer des Krisenstaates, in dem Ende
2013 der jüngste Bürgerkrieg ausgebrochen war. In Folge eines
Machtkampfs zwischen Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen
Stellvertreter Riek Machar begannen sich Streitkräfte und Anhänger
Machars zu bekämpfen. Auch in Yambio hat sich die Sicherheitslage
verschlechtert.

Straßenblockaden und Angriffe erschwerten in den vergangenen Monaten
die Arbeit, erzählt Arzt Descalzo. Bevor die Helfer ausrücken, muss
jedes Mal neu die Sicherheitslage geklärt werden. «Wir sind auf
Kontakte und das Wissen unserer südsudanesischen Mitarbeiter
angewiesen.» Dass die Dörfer oft weit auseinander liegen, erschwert
die Arbeit zusätzlich.

Ihr Mann habe sie vorgeschickt, als sie hörten, dass es an diesem Tag
die Möglichkeit zum Testen gebe, erzählt Santina Angostino. Zwei
ihrer Tanten sind mit dem Virus infiziert. Seit ein paar Monaten
nehmen sie Medikamente. Eine davon sei die Frau eines Bürgermeisters.
Auch dieser sei HIV-positiv, verweigere aber die Behandlung, sagt die
20-Jährige. Wenn sie zu Hause ist, soll ihr Mann zum Testen kommen,
meint sie noch, während sie ihr Fahrrad nimmt, das an einen Baum
lehnt. «Aber einer muss ja auf die Kinder aufpassen.»