Nervenkrieg um Stada erreicht Höhepunkt Von Christian Ebner, dpa, und Nadine Murphy, dpa-AFX

Beim Pharma-Konzern Stada läuft ein knochenharter Machtkampf auf
seinen Höhepunkt zu. Investoren wollen die alte Führungsriege
abwählen lassen. Ein erster Schritt zur Zerschlagung?

Frankfurt/Main (dpa) - Martin Abend, Aufsichtsratschef beim
hessischen Pharma-Konzern Stada, steht mächtig unter Druck. Seit
Wochen macht ihm der Großaktionär Active Ownership Capital die Hölle

heiß: Die AOC-Gründungspartner Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig
kritisieren die von Abend mitgetragene Geschäftspolitik der
vergangenen Jahre und betreiben die Abwahl des 53 Jahre alten
Chefaufsehers sowie seines Stellvertreters Carl Ferdinand Oetker.

Da auf der Hauptversammlung am kommenden Freitag (26. August) ohnehin
vier neue Aufsichtsräte gewählt werden sollen, stehen letztlich
sämtliche Vertreter der Kapitalseite in dem neunköpfigen Gremium zur
Disposition und damit wohl auch die Zukunft des gesamten
Unternehmens. «Wir verbessern den inneren Wert von Firmen, indem wir
die Umsetzung von operativen, strategischen und strukturellen
Verbesserungen fördern», beschreiben die Angreifer ihre Strategie.
Dass nach dem Aufsichtsrat auch das bisherige Management gehen
müsste, gilt daher als ausgemachte Sache, wenngleich AOC konkrete
Pläne dazu abstreitet.

Im Auftrag nicht genannter Anleger hatte die Gesellschaft laut
Finanzaufsicht am 1. April Zugriff auf knapp 7 Prozent der
Stada-Anteile und damit beim komplett im Streubesitz befindlichen
M-Dax-Konzern bereits eine bedeutende Position aufgebaut. Auf den
Stada-Hauptversammlungen waren bislang bestenfalls 37 Prozent der
Anteile vertreten. Eine Mehrheit scheint für die Angreifer machbar,
zumal auch zwei einflussreiche Investmentberater einzelne
AOC-Kritikpunkte gestützt haben.

Mit Vorstandschef Hartmut Retzlaff ist bereits der langjährige
Stada-Patriarch abgetreten - offiziell aus gesundheitlichen Gründen.
Hartnäckig hält sich aber auch die Lesart, dass der mit sehr hohen
Gehalts- und Pensionsansprüchen ausgestattete 62-Jährige den
kritischen Aktionären zu viele Angriffsflächen geboten hätte.

Der frühere Pharma-Berater Retzlaff hat Stada seit 1993 erst zu dem
gemacht, was es heute ist - ein respektabler, eigenständiger Konzern
mit 2,1 Milliarden Euro Umsatz und einer internationalisierten
Produktion von Nachahmer-Medikamenten und rezeptfreien Arzneimitteln.
Doch nach Auffassung der Kritiker hat der vom Aufsichtsrat kaum
eingeschränkte Stada-Herrscher in den vergangenen Jahren zu viele
Chancen liegengelassen und zu stark auf nun kriselnde Absatzmärkte
wie Russland und Serbien gesetzt.

Derzeit führen Finanzchef Helmut Kraft und der neue, 43 Jahre alte
Vorstandschef Matthias Wiedenfels das Unternehmen. Aufsichtsratschef
Abend will mit ihnen und zwei neuen Vorständen die
Internationalisierung des weiterhin eigenständigen Unternehmens
vorantreiben und neue Geschäftsfelder wie etwa Kosmetik erschließen.

Noch immer besitzen Ärzte und Apotheker rund zehn Prozent der Anteile
an der einstigen Pillen-Genossenschaft. Über einen Beirat versuchen
die Mediziner und Pharmazeuten, die Eigenständigkeit «ihres»
Unternehmens zu verteidigen. Im Interview mit der «Pharmazeutischen
Zeitung» greift der Beiratsvorsitzende Thomas Meyer den Investor AOC
scharf an: «Das tatsächliche Ziel von AOC ist aus unserer Sicht, die
Kontrolle über Stada zu erlangen, das Unternehmen zu zerschlagen und
dann die einzelnen Teile gewinnbringend zu verkaufen. Es geht
schlicht darum, Kasse zu machen und um nichts anderes.»

In der fusionsfreudigen Pharmabranche mangelt es nicht an
Interessenten, was den Aktienkurs deutlich getrieben hat.
Nach Informationen des «Handelsblatts» haben bereits mehrere
Finanzinvestoren ihre Fühler ausgestreckt, weil in dem bislang
eigenständigen Unternehmen noch großes Entwicklungspotenzial vermutet
wird. In die Bücher habe aber noch niemand schauen dürfen.

Neben den Finanzgesellschaften käme auch ein strategischer Investor
in Frage wie zum Beispiel die Branchenriesen Bayer, Glaxo-Smith-Kline
oder Novartis. Drei der von AOC benannten Gegenkandidaten für den
Aufsichtsrat haben wichtige berufliche Erfahrungen beim Baseler
Pharma-Unternehmen gesammelt.

Zuletzt hat Aufsichtsratschef Abend Rückendeckung erhalten. Die
Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die
Aktionärsvertreter des SdK sprachen sich gegen die AOC-Pläne aus.
DSW-Vertreter Peter Barth äußerte Zweifel, ob die Gegenkandidaten für

den Aufsichtsrat tatsächlich unabhängig und unbeeinflusst sind.
Seinen Informationen zufolge erwäge der kritische Investor auch
Änderungen im Vorstand. «Wenn es das Ziel ist, das Management
auszutauschen, dann muss dies ja schon vorher mit den
Aufsichtsratskandidaten besprochen worden sein», sagte der
Frankfurter Rechtsanwalt.

Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Strenger, Multi-Aufsichtsrat
und Experte für gute Unternehmensführung (Corporate Governance), hat
Stada und Retzlaff in der Vergangenheit scharf kritisiert. Dennoch
plädiert er dafür, Abend im Amt zu halten, obwohl der viel zu lange
die Dominanz von Retzlaff mitgetragen habe. «Er sollte eine faire
Chance haben, die endlich angefangenen Governance-Verbesserungen
fortzuführen.» Die Entscheidung liegt am Freitag im Congress-Centrum
an der Frankfurter Messe bei den Aktionären.