Zehn Jahre Gleichbehandlungsgesetz: Diskriminierung bleibt Thema Von Thomas Lanig, dpa

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, sagt Artikel 3 des
Grundgesetzes. In der Praxis sieht das oft anders aus. Deshalb gibt
es auch noch das Gleichbehandlungsgesetz. Nicht jedem gefällt das.

Berlin (dpa) - Hat sich denn gar nichts geändert? Frauen klagen über
schlechtere Bezahlung als ihre männlichen Kollegen, Behinderte über
die Benachteiligung bei der Jobsuche, Muslime über geringere Chancen
auf dem Wohnungsmarkt, ein Ausländer kritisiert die verweigerte
Aufnahme in ein Fitness-Studio oder eine Mutter das Still-Verbot in
einem Café: Diskriminierung ist immer noch allgegenwärtig, obwohl
2006 das «Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz» (AGG) eingeführt wurde.


Seitdem sind die Kontroversen um das Thema nicht verstummt. Was
manche einen Sieg für die Menschenrechte nannten, war für andere
entweder sinnlos und teuer, oder eben nicht konsequent genug. Am
Dienstag soll nun zehn Jahre später eine Bilanz gezogen werden.
Wissenschaftler legen einen sogenannten Evaluationsbericht vor.

Mit dem Gesetz sollte Benachteiligung aus Gründen der ethnischen
Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, wegen
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität eingedämmt
werden. Und das nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch im
Zivilrecht, etwa bei der Anmietung einer Wohnung, oder im
Alltagsleben, im Sportverein zum Beispiel.

Das Gesetz war nach langem Streit auf Druck der EU und des
Europäischen Gerichtshofs zu Zeiten der großen Koalition aus Union
und SPD beschlossen worden. Der Anfang war holprig. Die Unterschrift
des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler verzögerte sich,
Nachbesserungen am Gesetzestext waren notwendig. Die Wirtschaft
bezifferte die zusätzlichen Kosten auf 1,73 Milliarden Euro pro Jahr.
Juristen befürchteten eine Klagewelle - dazu kam es aber nicht.

Nach einer Umfrage 2015 haben immer noch 31,4 Prozent der Menschen in
Deutschland nach eigener Aussage in den letzten zwei Jahren
Diskriminierungserfahrungen gemacht, 14,8 Prozent wegen ihres Alters,
9,2 Prozent wegen ihres Geschlechts, 8,8 Prozent wegen ihrer Religion
oder Weltanschauung. Die meisten Beschwerden betreffen die Arbeit,
aber auch in der Freizeit, bei Behörden, im Gesundheitswesen oder
eben auf dem Wohnungsmarkt wird Diskriminierung gemeldet.

Ein erster wegweisender Prozess 2007: Ein Betriebsrat zieht vor
Gericht, weil die Frauen in einem Logistikunternehmen rund 300 Euro
weniger verdienen als Männer - bei gleicher Arbeit. 2009 stellt das
Arbeitsgericht Berlin fest, dass «Deutsch als Muttersprache» eine
diskriminierende Jobanforderung ist. 2010 wird eine
Immobilienverwalter zu Schadenersatz verurteilt, weil er nicht an
Schwarze und Türken vermieten will.

2013 stärkt das Bundesarbeitsgericht den Kündigungsschutz für
Aidskranke und andere chronisch kranke Angestellte. 2016 kündigt
Justizminister Heiko Maas (SPD) an, nach einem entsprechenden
Gutachten die Rehabilitierung homosexueller Männer, die nach dem
Paragrafen 175 verurteilt worden waren, voranzubringen.

Aber auch so etwas gibt es: Der Europäische Gerichtshof entscheidet
vor kurzem gegen sogenannte «AGG-Hopper», die sich auf viele Stellen
bewerben, um anschließend nach dem AGG eine Diskriminierung etwa aus
Altersgründen einzuklagen.

Nach zehn Jahren AGG gibt es Reformbedarf, etwa wird immer wieder die
Einführung eines Verbandsklagerechts gefordert. Damit könnten nicht
nur einzelne Betroffene, sondern eben auch Organisationen wir die
durch das AGG geschaffene Antidiskriminierungsstelle des Bundes vor
Gericht ziehen.

Die Wirtschaft aber warnt vor weiteren Vorschriften, auch wenn sich
ihr grundsätzlicher Widerstand gegen das Gesetz inzwischen entkrampft
hat. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer fordert den Gesetzgeber auf,
«sich mit weiterer Regulierung zurückzuhalten». Ziel müsse ein «K
lima
der Offenheit und Toleranz sein, das nicht auf Angst vor Strafen,
sondern auf kluge Argumente und positive Erfahrungen setzt.»

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