Hochzeit als Kündigungsgrund - Chefarzt klagt gegen Klinik Von Simone Rothe, dpa
Wie weit gehen die Sonderrechte der Kirche als Arbeitgeber? In einem
exemplarischen Fall müssen die Richter beim Bundesarbeitsgericht die
Kündigung eines Chefarztes ein zweites Mal verhandeln.
Erfurt (dpa) - Das private Glück eines Mediziners beschäftigt seit
Jahren die höchsten deutschen Gerichte. Jetzt muss der Chefarzt eines
katholischen Krankenhauses in Düsseldorf nach der Scheidung von
seiner ersten Frau, einer zweiten Liebe und der standesamtlichen
Hochzeit 2008 möglicherweise mit der endgültigen Kündigung rechnen.
Sein Fall ist seit 2011 vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt zum
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und nun zurück zu den höchsten
deutschen Arbeitsrichtern gewandert.
Es geht um Sonderrechte der Kirche als Arbeitgeber und eine Kündigung
wegen eines «schweren Loyalitätsverstoßes» - das Sakrament der Ehe
wurde verletzt. Der Fall, mit dem sich die Bundesarbeitsrichter an
diesem Donnerstag befassen, dürfte viele interessieren - die Kirchen
sind ein großer Arbeitgeber in Deutschland. Das Urteil der höchsten
deutschen Arbeitsrichter von 2011, mit dem sie der
Kündigungsschutzklage des Arztes ebenso wie die Vorinstanzen in
Nordrhein-Westfalen stattgaben, hatte in Karlsruhe keinen Bestand.
Die Verfassungsrichter stärkten 2014 vielmehr die Sonderrechte der
Kirchen als Arbeitgeber und verwiesen das Verfahren zurück nach
Erfurt. Sie bestätigten - zur Überraschung von Prozessbeteiligten -
damit ihre Linie von 1985. Damals billigten sie den Kirchen das Recht
zu, Arbeitsverhältnisse nach ihrem religiösen Selbstverständnis zu
regeln. Hintergrund ist das vom Grundgesetz garantierte kirchliche
Selbstbestimmungsrecht.
«Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts können die Kirchen
Loyalitätsregeln aufstellen. Sie unterliegen nur eingeschränkt der
Kontrolle der Fachgerichte», sagt der Bonner Arbeitsrechtler Gregor
Thüsing. Er hatte die Kirchen vor dem Bundesverfassungsgericht
vertreten. Unumstritten ist das Karlsruher Urteil unter Juristen
allerdings nicht.
«Die kirchliche Autonomie wird vom Verfassungsgericht sehr weit
ausgelegt», findet der Bremer Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang
Däubler. «Die Amtskirche kann damit definieren, was gilt». Letztlich
könnten so eigene ethische Prinzipien mit dem Arbeitsrecht
durchgesetzt werden. Auch Gewerkschafter kritisieren immer wieder
Sonderwege der evangelischen und katholischen Kirche beim
Arbeitsrecht. Beispielsweise wird die Bezahlung von
Kirchenmitarbeitern - darunter mehr als eine Million in Diakonie und
Caritas - in der Regel nicht in Tarifverhandlungen festgelegt,
sondern in Kommissionen. Arbeitskämpfe sind nicht erlaubt.
Bei dem Chefarzt wurde die zweite Hochzeit als schwerer Verstoß gegen
katholische Grundsätze angesehen. Sein Dienstvertrag basiert auf
einer vom Erzbistum erlassenen Grundordnung, nach der von den
Mitarbeitern die Anerkennung der katholischen Glaubens- und
Sittenlehre erwartet wird. Danach gilt eine Wiederheirat als
ungültige Ehe und damit als schwerwiegender Loyalitätsverstoß.
Die Reaktion des Arbeitgebers kam prompt: Er schickte dem Chefarzt
eine ordentliche Kündigung - zum 30. September 2009. Wirksam ist sie
wegen der juristischen Auseinandersetzung bisher nicht. Der Arzt
pocht im Kampf um seinen Job ebenfalls auf die Verfassung -
schließlich schütze sie auch Ehe und Familie.
Wie die Bundesarbeitsrichter mit dem heiklen Fall von Liebe, Kirchen-
und Arbeitsrecht umgehen, ist noch nicht absehbar. In einem anderen
Fall, in dem es um eine evangelische Entwicklungshilfeorganisation
als Arbeitgeber ging, haben sie jüngst eine weitere Instanz
angerufen: Sie wollen vom Europäischen Gerichtshof klären lassen, ob
kirchliche Arbeitgeber die Konfession von Bewerbern als
Einstellungskriterium festlegen dürfen.
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