Freie Arztwahl oder doch lieber Patientensteuerung? Von Ruppert Mayr, dpa

Seit langem wird beklagt, dass Patienten für eine Erkrankung mehrere
Ärzte aufsuchen. Die Praxisgebühr hat auch keine Steuerungswirkung
entfaltet. Nun wollen die Vertrags-Ärzte einen neuen Anlauf nehmen -
und erwarten Unterstützung von der Politik.

Berlin (dpa) - Der deutsche Patient geht im Schnitt pro Jahr 17 Mal
zum Arzt. Das sind sehr viele Arztbesuche. Die Schweden zum Beispiel
gehen weniger als drei Mal im Jahr zum Arzt. Vielleicht gibt es ja
auch hier einen «dritten Weg». Die Nachfrage nach medizinischen,
pflegerischen und anderen Leistungen wird jedenfalls allein schon
wegen der älter werdenden Gesellschaft weiter steigen - und damit
auch die Kosten.

Was könnte ein Grund für diese Unterschiede sein?

In Schweden sind die medizinischen Versorgungswege relativ strikt
vorgegeben. Der Arzt-Besuch wird einem quasi zugewiesen. 72 Tage
Wartezeit auf einen Facharzttermin sind keine Seltenheit, heißt es
bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). In Deutschland gilt
dagegen die freie Arztwahl. Das führt zu vielen Arztbesuchen. Es gilt
also, einen Weg zu finden, der die freie Arztwahl weiterhin
ermöglicht, aber durch bessere Steuerung zugleich die Zahl der
Arztbesuche reduziert. Ein «bewussterer Umgang mit der Ressource
«Arzt»» sei notwendig, sagte KBV-Chef Andreas Gassen der dpa.

Wie könnte eine solche Steuerung aussehen?

- Die KBV arbeitet derzeit an einem Konzept. Wichtig sei
grundsätzlich ein zentraler Ansprechpartner, heißt es. Das könnte der

Haus-, oder auch ein anderer Facharzt sein, den der Patient etwa
wegen einer chronischen Krankheit regelmäßig besucht. Vorstellbar
wäre also, dass ein Rheumatologe seinen Patienten bei anderen
Beschwerden untersucht und dann zu einem weiteren Facharzt schickt -
vom Herzspezialisten bis zum Orthopäden.

- Für die Hausärzte kann dieser erste Ansprechpartner nur ein
Hausarzt sein. Er sehe den Patienten in seiner Gesamtheit, nicht nur
wie ein Spezialist für Gelenke, Herz oder Skelett. Behandlungsabläufe
koordinieren oder verschiedene Diagnosen und Medikationen
zusammenführen, seien daher originäre Aufgaben der Hausärzte, sagte
der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich
Weigeldt, der dpa. Ein hausärztliches Primärarztsystem werde bereits
für vier Millionen Patienten umgesetzt. Es sollte jetzt
flächendeckend kommen.

- Der Chef der Techniker Krankenkasse Jens Baas sagte der dpa,
Patienten sollten nicht bevormundet werden. Eine erfolgreiche
Steuerung versprächen eher richtige Anreize und die Motivation der
Menschen, sich um ihre Gesundheit zu kümmern.

Was könnten richtige Anreize sein?

Das können laut Baas «Bonusprogramme sein oder zum Beispiel auch
Gesundheitscoaches, mit denen wir eine gezielte Unterstützung
anbieten - für Gesunde und Kranke». Im Prinzip argumentiert hier 
KBV-Chef Gassen ähnlich. Patienten, die über die Inanspruchnahme von
Leistungen selbst entscheiden wollen, sollten dafür zusätzliche
Beiträge zahlen. Patienten, die zuerst einen Primärarzt ansteuern,
sollten mit Beitragsrückerstattungen belohnt werden.

Was sagen die Patienten?

Nach einer KBV-Befragung erachtet es mehr als die Hälfte (58 Prozent)
als sinnvoll, vor dem Facharzt einen Hausarzt aufzusuchen. Wenn damit
gar eine spürbare Beitragssenkung verbunden wäre, würden insgesamt 80

Prozent der gesetzlich Versicherten dies akzeptieren. Nur 16 Prozent
wären auch dann nicht bereit, einem solchen Hausarztmodell zu folgen.

Muss zwischen ambulant und stationär nachgesteuert werden?

Ja, meinen nicht nur die niedergelassenen Ärzte. Die TK, die größte
gesetzliche Krankenkasse, findet das auch. 3,6 Millionen
Krankenhauseinweisungen pro Jahr könnten ambulant bei einem
Vertrags-Arzt kostengünstiger behandelt werden, heißt es bei der KBV.
Allerdings kennt den ambulanten Notruf 116 kaum jemand. Die
Notfallversorgung im Krankenhaus ist da besser aufgestellt.

Sogenannte Portalpraxen an Krankenhäusern könnten hier eine bessere
Steuerung bringen. Sie sollten außerhalb ärztlicher Öffnungszeiten,
an Wochenenden oder Feiertagen als erste Anlaufstation entscheiden,
ob ein Patient in der Praxis behandelt werden kann oder ins
Krankenhaus muss. Hier ist eine bessere sektorenübergreifende
Zusammenarbeit dringend nötig.

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