Junges Gemüse aus dem All Von Andrea Barthélémy, dpa
Bemannte Weltraummissionen könnten in Zukunft mehrere Jahre dauern.
Und dann: Nichts als Astronautennahrung? Forscher arbeiten an
frischen Alternativen.
Merritt Island/Köln (dpa) - Wer den Film «Der Marsianer» gesehen hat,
der ahnt es: Kartoffelanbau auf dem Mars ist nichts für Anfänger. Der
auf dem Roten Planeten gestrandete Astronaut Mark Watney (Matt Damon)
zumindest steht dabei bis zu den Knöcheln in den eigenen Exkrementen,
die den Knollen als Nährboden dienen. Doch mit Blick auf künftige
Weltraummissionen weit über den Mond hinaus wird die Fiktion bereits
Wirklichkeit: Forscher arbeiten an Wegen, auch fern der Erde Gemüse
zu züchten und Astronauten so die Möglichkeit zu geben, sich auf
langfristigen Missionen selbst zu versorgen.
Das Foto des Astronauten Scott Kelly, der auf der Raumstation ISS an
einem dunkelroten Salatblatt knabbert, zog in Internet und Medien
seine Kreise. Der rote Römersalat war an Bord der ISS gezüchtet
worden - auf kleinen Nährbodenpäckchen, beschienen von roten und
blauen LED-Leuchten. Wasser, Licht und bestimmte Nährstoffe braucht
es zum Pflanzenwachstum. Doch im All ist dies nicht so leicht zur
Hand. Die wertvollen Ressourcen müssen idealerweise so eingesetzt
werden, dass jeglicher Abfall komplett weiter- oder wiederverwendet
werden kann.
Der Botaniker Ray Wheeler befasst sich bei der US-Raumfahrtagentur
Nasa schon seit 1988 mit dem Thema. Er entwickelte mit Kollegen auch
das nun auf der ISS erprobte Anbau-System «Veggie», das frischen
Salat und auch Blumen in der Umlaufbahn sprießen ließ. Grundsätzlich
wären Kartoffeln, Süßkartoffeln, Weizen und Sojabohnen weitere
geeignete Kandidaten, sagt Wheeler. Sie lieferten Kohlenhydrate,
Sojabohnen wichtige Proteine. «Zusammen mit dem Salat ergäbe das
schon eine recht gute Ernährung.»
Zumindest mit den Kartoffeln gibt es auch schon gewisse Erfahrungen -
allerdings nur irdische. In einer Biomasse-Produktions-Kammer der
Nasa in Cape Canaveral wachsen Kartoffeln von der Außenwelt
abgeschlossen heran. Unter Kunstlicht und in schräg gestellten
Pflanzschalen, die nicht genutztes Wasser und Nährstoffe unten wieder
sammeln. «Wir müssen über Ernährungsdinge nachdenken. Was ist
akzeptabel, was schmeckt gut. Denn wenn es nachher keiner essen will,
funktioniert die Sache nicht», betont Wheeler.
Seit kurzem arbeitet die Nasa im Kennedy Space Center auf Merritt
Island auch an einem autonomen Pflanzen-Modul, das an eine
Wohneinheit - etwa auf dem Mars - angedockt werden könnte. In dem
röhrenähnlichen Mini-Treibhaus sollen die Pflanzen auf einer Fläche
von rund 20 Quadratmetern platzsparend in Etagen wachsen. Das
Kondenswasser wird gesammelt, um damit bei Bedarf erneut zu
bewässern. Das alles soll, ebenso wie die Nährstoffzufuhr, komplett
automatisch geregelt werden, so dass Astronauten nur zum kurzen Check
und zur Ernte ihr «Garden Rack» betreten müssten.
Ein wichtiges Thema ist dabei das Licht: Der weiter von der Sonne
entfernte Mars bekommt nur knapp die Hälfte der irdischen
Sonneneinstrahlung ab. «Auf dem Mars gibt es auch schwere
Staubstürme, die viel Sonnenlicht abhalten können. Das ist ein
Problem, auch wenn wir Photovoltaik-Anlagen einsetzen», gibt Wheeler
zu bedenken. Auch ist noch unklar, inwieweit sich die stärkere
ultraviolette Strahlung, der veränderte Luftdruck und die abweichende
Gravitation auf das Pflanzenwachstum auswirken könnten.
Letzteres versuchen auch deutsche Forscher herauszufinden. In dem
DLR-Projekt «Eu:CROPIS» sollen 2017 Tomaten in einem
Forschungssatelliten mit Mini-Gewächshaus in die Umlaufbahn geschickt
werden, in zwei Modulen unterschiedlich starken Gravitationskräften
ausgesetzt. «Wir simulieren die Bedingungen von Mars und Mond»,
erklärt der bei der DLR damit befasste Experte Jens Hauslage.
Zugleich hat das Team um Hauslage ein Biofilter-Verfahren entwickelt,
das Urin in Pflanzendünger umwandelt und aus dem Ammoniak über Nitrit
schließlich Nitrat macht. «Urin ist da wesentlich wertvoller als
Stuhl», betont Hauslage mit Blick auf die Anbaupraxis des
«Marsianers» Watney. Der Biofilter in Lavastein-Röhren ist eine Art
Nasskomposter, in dem ein Bakteriengemisch den Urin verstoffwechselt.
Zusätzliche Unterstützung erhalten die Bakterien dabei durch
Augentierchen (Euglena gracilis) der Universität Erlangen, die
Sauerstoff für die Nitratherstellung liefern.
«Wir hoffen, dass das System eines Tages im Weltall zur Anwendung
kommt. Aber zunächst müssen wir wissen, wie es unter verschiedenen
Schwerkraftbedingungen arbeitet», sagt Hauslage. Und auch bei Erfolg
ist ein weiteres Problem noch nicht gelöst: «Um einen Menschen zu
ernähren, braucht man etwa 100 Quadratmeter Anbaufläche», sagt der
DLR-Fachmann. Viel Platz also. Zudem dauert es Monate, bis gepflanzte
Kartoffeln oder Tomaten abgeerntet werden können.
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