Wieder Horrorvorwürfe gegen Kosovo-Politiker Thaci wegen Organhandels Von Thomas Brey, dpa

Kann das überhaupt sein? Ein Spitzenpolitiker im Kosovo soll in den
internationalen Handel mit menschlichen Organen verstrickt sein.
Jedenfalls wollen serbische Medien dafür einen Zeugen gefunden haben.

Belgrad (dpa) - Die Medien in Serbien überschlagen sich förmlich:
«Horror: Thaci entnimmt Organe in Afrika», schreibt die größte
Zeitung «Blic» am Donnerstag in Belgrad. «Thaci handelt auch heute
mit Organen», titelt das Boulevardblatt «Informer». Und über dem
Artikel der Regierungszeitung «Novosti» prangt die Überschrift «In

Nigeria hat er die Organe entführter Serben verkauft». Nicht zum
ersten Mal sieht sich Hashim Thaci, langjähriger Regierungschef und
heutiger Außenminister des Kosovos, Vorwürfen des Organhandels
ausgesetzt, die er stets bestritt. Zu den neuen Horrorberichten
äußerte er sich zunächst nicht - Zweifel sind aber angebracht.

Thaci, einer der schillerndsten Politiker in Südosteuropa, als ein
Drahtzieher der internationalen Organ-Mafia? Der serbische
Staatsanwalt für Kriegsverbrechen hält die Vorwürfe, über die auch
in
Nigeria berichtet wurde, jedenfalls für so stichhaltig, dass er ein
Rechtshilfeersuchen nach Afrika schicken will. Denn Kronzeuge der
serbischen Medien ist der nigerianische Arzt Philip Njemanze, mit dem
sie am Vortag gesprochen haben wollen. Der 54-Jährige wird als
renommierter Mediziner mit großer Auslandserfahrung vorgestellt.

Die ungeheuren Beschuldigungen in Kürze: Der Gouverneur des
südnigerianischen Bundesstaates Imo, Rochas Okorocha, habe in den
letzten Jahren mehr als ein Dutzend Krankenhäuser errichten lassen,
in denen die kriminellen Taten stattfinden. Die Organe seien dann
auch in Europa verkauft worden - mit Thaci als Mittelsmann.

Schon früher war der einstige Rebellenführer immer wieder als eine
der ganz großen Nummern in der Organisierten Kriminalität im Kosovo
genannt worden. Waffen, Drogen, Menschenschmuggel lauteten die
Stichworte.

Doch die neuen Vorwürfe des schwunghaften Organhandels werden sogar
von seinen Kritikern bezweifelt. Denn im Kosovo, das einst serbische
Provinz war und sich 2008 für unabhängig erklärte, agieren seit
eineinhalb Jahrzehnten internationale Experten wie die
EU-Rechtsstaatsmission EULEX, Tausende Soldaten von der
Nato-geführten Schutztruppe KFOR sowie parallel eine UN-Verwaltung.
Auch gibt es Hunderte ausländische Diplomaten einschließlich
Geheimdienstvertretern ihrer Länder. Und die haben alle nichts
bemerkt?

Und doch spielt das ganze vor einem realen Hintergrund. Erst im
letzten Monat hatte die niederländische Regierung die Gründung eines
von der EU finanzierten internationalen Gerichts bekanntgegeben, das
noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen soll. Seine Aufgabe: Den
Vorwürfen nachzugehen, Thaci sei Ende der 90er Jahre in Organhandel
verstrickt gewesen.

Nach einem Bericht des Europarates sollen Hunderten Serben und Roma
damals im benachbarten Nordalbanien Organe entnommen worden sein.
Immer wieder wurde dabei der Name von Thaci als Organisator dieses
Verbrechens genannt. Der hatte das aber immer wieder strikt
bestritten. Und doch wird erwartet, dass das neue Gericht in Den Haag
auch Thaci vorladen wird.

Der will sich unbedingt möglichst noch in diesem Monat zum
Staatspräsidenten wählen lassen. Dadurch erhielte er Immunität vor
Strafverfolgung. Allerdings soll das neue Gericht nach seiner
geplanten Satzung selbst höchste politische Amtsträger verfolgen
dürfen.

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