«Demonstration einer Überlegenheit» - Prozess gegen Hebamme Von Britta Schultejans, dpa

Als Hebamme sollte sie Kindern ins Leben helfen - versuchte sie
stattdessen, Müttern das Leben zu nehmen? Eine Hebamme steht wegen
mehrfachen Mordversuchs vor dem Münchner Schwurgericht. Die Vorwürfe
klingen unglaublich.

München (dpa) - Sie wäre bei der Geburt ihres Kindes beinahe
gestorben. Nach dem Kaiserschnitt traten Blutungen auf, die die Ärzte
nicht stillen konnten. Über Tage musste sie 2012 immer wieder
operiert werden. 44 Transfusionen waren nötig, um ihr Leben zu
retten. Sie kann seither keine Kinder mehr bekommen.

Am Dienstag sitzt die Frau im Landgericht München derjenigen
gegenüber, die für ihr Martyrium verantwortlich sein soll - und die
ihr doch eigentlich helfen sollte. Ihre Hebamme steht wegen
ungeheuerlicher Vorwürfe vor Gericht: Sie soll versucht haben, sie
bei der Geburt ihres Kindes zu töten - so wie sechs weitere Frauen im
hessischen Bad Soden und am Münchner Klinikum Großhadern.

Das, was die Staatsanwaltschaft der Hebamme vorwirft, klingt
unglaublich: Die 34 Jahre alte gebürtige Gießenerin, die ihre
Ausbildung an der Hebammen-Schule in Kiel als eine der Klassenbesten
absolvierte, soll Frauen vor Kaiserschnitt-Geburten heimlich Heparin
verabreicht haben - ein Mittel, das die Blutgerinnung hemmt und im
Volksmund Blutverdünner genannt wird. Die Patientinnen wären ohne
Not-Operationen verblutet.

Noch grausiger ist ein weiterer Fall aus Bad Soden: Die Frau soll den
Wirkstoff Misoprostol verabreicht haben, ein Mittel, das bei
Abtreibungen eingesetzt wird und heftige Kontraktionen der
Gebärmutter auslöst. Mutter und Kind waren laut Anklage in
Lebensgefahr, ein Kaiserschnitt musste eingeleitet werden.

Die Frau, der all das vorgeworfen wird, ist unscheinbar. Mit
übergroßem, schwarzem Anzug und randloser Brille wirkt ihr Stil
deutlich älter als sie selbst. Als Motiv für die Taten vermutet die
Staatsanwaltschaft eine «Aufwertung ihres Selbstwertgefühls» und eine

«insgeheime Demonstration einer Überlegenheit».

Die schwangeren Frauen waren offenbar Zufallsopfer. Der Hebamme sei
«die Person der jeweils betroffenen Patientin gleichgültig» gewesen,

erklärt die Staatsanwaltschaft beim Prozessauftakt. Auch habe sie
letztlich kaum Einfluss darauf gehabt, «welche Patientin durch ihr
schädigendes Verhalten betroffen sein würde».

Weiter heißt es: «Sie setzte das Lebensrecht der Patientinnen in
krasser Eigensucht hinter ihr eigenes Bedürfnis, ihr Selbstwertgefühl
aufzuwerten und ihre Überlegenheit zu demonstrieren.» Es sei «zu
massiven Gerinnungsstörungen und einem lebensbedrohlichen
Blutverlust» gekommen. «Mit einem tödlichen Ausgang fand sie sich
ab.»

Die Angeklagte schweigt sich am Dienstag zu den Vorwürfen aus. Auf
die Frage nach ihren persönlichen Daten sagt sie nur knapp: «Das ist
korrekt.» Sie hat die Hände gefaltet. Dass sie das, was ihr
vorgeworfen wird, bestreitet, weiß die Staatsanwaltschaft aus einem
Arbeitsgerichtsprozess. Die Hebamme geht gegen ihren letzten
Arbeitgeber, das Münchner Klinikum Großhadern, vor und klagt gegen
ihre Kündigung.

Vor das Arbeitsgericht zog sie schon einmal - gegen das Krankenhaus
Bad Soden, wo sie laut Anklage versucht haben soll, drei Frauen zu
töten. In zwei weiteren Fällen wurde das Verfahren eingestellt - «aus

Gründen der Prozessökonomie», wie der Sprecher der
Staatsanwaltschaft, Thomas Steinkraus-Koch, sagt. Will heißen: Für
das mögliche Strafmaß sind die Fälle nicht mehr entscheidend. Neben
Mordversuch lautet die Anklage noch auf gefährliche und schwere
Körperverletzung.

In Bad Soden konnte der Frau nichts nachgewiesen werden - trotz einer
«Häufung pathologischer Geburtsverläufe unter Beteiligung der
Angeschuldigten», wie es in der Anklage heißt. Es kam zu einem
Arbeitsgerichts-Prozess und zu einem Vergleich. Sie erhielt ein
qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Note «gut».

Das Krankenhaus warnte allerdings die Kollegen in Großhadern, wo die
Frau danach einen Job antrat, auf inoffiziellem Weg. Daraufhin stand
sie «unter besonderer Beobachtung». Als sich auch dort nach einer von
ihr unerwünschten Kürzung ihrer Arbeitszeit die Verdachtsfälle
häuften und in einer Infusion bei einem Kaiserschnitt tatsächlich
Heparin nachgewiesen wurde, das dort überhaupt nichts zu suchen
hatte, erstattete das Klinikum Anzeige.

Seit eineinhalb Jahren sitzt die Hebamme schon in Untersuchungshaft.
«Es ist nicht umsonst eine Mordanklage, wo Heimtücke als Mordmerkmal
im Raum steht», sagt Nebenklage-Anwältin Ute Döpfer. Sie vertritt
eine der Frauen, die darauf vertraute, im Krankenhaus gut aufgehoben
zu sein.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite