Katarina Witt: «Wir müssen die Flüchtlinge schnell integrieren» Interview: Britta Körber, dpa

Katarina Witt wird 50 und hat klare Meinungen zu den aktuellen
gesellschaftlichen Themen. Sie ist weit gereist und zeigt großes
Verständnis für Flüchtlinge.

Berlin (dpa) - Vor ihrem 50. Geburtstag (am 3.12.) findet Katarina
Witt deutliche Worte zur Flüchtlingssituation in Deutschland und
plädiert für eine schnelle Einbindung der Migranten. «Das letzte
halbe Jahr hat Deutschland vor eine epochale Herausforderung
gestellt, und wir müssen diesen leidgeplagten Menschen die Chance der
Integration geben», sagte die zweimalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin
im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Sie sprach auch über die
Dopingproblematik der DDR und die Krisen in den Sportverbänden.

Frage: Sie werden 50 und sind auch nach ihrer Eis-Karriere stark
beschäftigt. So haben Sie den Bildband «So viel Leben»
zusammengestellt und drehen mit der ARD eine Dokumentation über Ihre
Erfolge. Können Sie inzwischen auch loslassen?

Antwort: Diesen Rückblick mit dem Buch habe ich genossen, das war ein
Herzensprojekt. Man hakt sonst so schnell ab, was man erlebt hat. Das
hat mich schon stolz gemacht, und ich habe mir gesagt: Jetzt kannste
ruhiger werden, jetzt lass mal los. Das heißt ja nicht, dass ich
Rentnerin werde.

Frage: Sie sind eine der wenigen Sportpersönlichkeiten, die ihren
Hauptwohnsitz immer in Deutschland hatte. Haben Sie nie daran
gedacht, ins Ausland zu ziehen und auch Steuern zu sparen?

Antwort: Nie. Ich bin sehr familienverbunden, und so kam für mich nie
infrage, um Steuern sparen zu können, in ein anderes Land zu ziehen.
Ich war zu Beginn meiner Profi-Karriere viele Jahre in Amerika, da
bin ich im November aus Berlin abgehauen, Ostern kam ich wieder.
Irgendwann hatte ich aber das Gefühl, ich brauche einen Anker.

Frage: Sie sind lange durch die Welt getingelt, wie empfinden Sie die
Flüchtlingssituation?

Antwort: Ich war eigentlich mein ganzes Leben lang unterwegs und oft
auf Hilfe und Freundlichkeit angewiesen. Natürlich lässt sich das
nicht vergleichen. Aber wie groß muss die Not sein, dass man alles
zurücklässt, alle Bindungen, um mit Nichts neu anzufangen? Das letzte
halbe Jahr hat Deutschland vor eine epochale Herausforderung
gestellt, und wir müssen diesen leidgeplagten Menschen die Chance der
Integration geben.

Frage: Wie empfinden Sie die Pegida-Demonstrationen und die vielen
Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen?

Antwort: Für Verunglimpfungen von Politikern und Gewalt gegen
Flüchtlinge habe ich kein Verständnis. Es hätte nie so weit kommen
dürfen. Für so etwas darf es keine Toleranz in unserem Land geben, da
muss der Staat Rechtsstaatlichkeit durchsetzten. Hasspostings haben
auch nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun. Auch gehört nun große
Besonnenheit dazu, die grausamen Terroranschläge von Paris und die
Flüchtlingssituation nicht miteinander auf falsche Weise zu
verbinden. Wenn es Deutschland und Europa schaffen, diese Menschen zu
integrieren, kann es eine Bereicherung sein. Natürlich ist da
wiederum Voraussetzung, dass ihre Kulturen und Religionen in einer
Symbiose mit unseren leben müssen und die freie Gesellschaft und
insbesondere die Gleichstellung der Frau akzeptiert wird.

Frage: Sie wirken politischer als früher, ist das so?

Antwort: Ich war immer schon politisch, und im Freundes- und
Familienkreis wurde viel diskutiert. Wir stehen ja auch vor völlig
neuen Herausforderungen. Da möchte ich mich schon einbringen.

Frage: Sie haben ein halbes Leben in der DDR verbracht, die andere
Hälfte in Gesamtdeutschland - ist inzwischen alles schon
zusammengewachsen?

Antwort: Ich finde es gar nicht so schlimm, dass es noch Unterschiede
gibt. Natürlich muss es gleiche Gehälter und Renten geben. Aber wir
witzeln manchmal in Gesprächen über Ostfrauen und Westmänner. Ich
fände es schade, wenn diese unterhaltsamen und manchmal nicht ganz
ernst zu nehmenden Diskussionen schon abgeschlossen wären.

Frage: Sie sind im Sportsystem der DDR aufgewachsen, haben Sie damals
etwas von Doping mitbekommen?

Antwort: Nein, ich habe gedacht, dass wir ehrlichen Sport betreiben.
Aber ich habe mich gewundert, dass manche Athletin so eine tiefe
Stimme hatte. Später habe ich mich erschrocken, wie flächendeckend
gedopt wurde. Ich habe nichts bekommen und wäre auch ehrlich erbost
gewesen, schon wegen des Angebotes. Ich wäre mir wie eine Betrügerin
vorgekommen. Gerade die intensive Diskussion besonders über die
Doping-Problematik in der Leichtathletik in Russland zeigt, wie
aktuell die Vergangenheit bleibt. Diese öffentliche Diskussion ist
wichtig, ganz besonders für die Athleten, die wirklich versuchen,
ohne Doping Weltklasse-Leistungen zu bringen.

Frage: Wie sehen Sie die Diskussion um Korruption und Mauscheleien in
den großen Sportverbänden?

Antwort: Heutzutage muss sich mehr Transparenz durchsetzen - die
männliche Kumpanei-Politik ist einfach von Gestern.

ZUR PERSON: Zweimal Gold bei Olympia, vier Mal bei
Weltmeisterschaften, sechs Mal bei Europameisterschaften und acht
deutsche Titel: die Eiskunstlauf-Vita von Katarina Witt ist einmalig.
Nach ihrer aktiven Wettkampfkarriere, die sie jahrelang in Eisshows
in Nordamerika fortsetzte, kümmert sich die Kufen-Queen um ihre
Stiftung für benachteiligte Kinder.

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