Olympia 2024: Hamburg entscheidet für Sport-Deutschland Von Franko Koitzsch und Almut Kipp, dpa

Der Werbe-Marathon ist beendet, die Ziellinie in Sicht. 1,3 Millionen
Hamburger entscheiden am Sonntag, ob sich die Stadt weiterhin um
Olympische Spiele bewirbt. Für die Sportfunktionäre geht es um mehr.

Hamburg (dpa) - Top oder Flop? Sportlicher Aufbruch oder weiterer
Abwärtstrend im Leistungssport? Die Entscheidung der Hamburger am
Sonntag über die Fortsetzung der Bewerbung um die Olympischen Spiele
2024 hat nicht nur für die Hansestadt einschneidende Konsequenzen. Es
geht um den Top-Sport in Deutschland schlechthin. «Es geht darum, in
der Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen dem erfolgreichen Profifußball
und den anderen Sportarten ein annäherndes Gleichgewicht zu
schaffen», sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. «Wir wollen
Sport-Deutschland mit dem Projekt Gutes tun.»

Das Referendum wird auch eine Antwort auf die Frage liefern: Passen
milliardenteure Großveranstaltungen und Demokratien überhaupt noch
zusammen? Vor allem dann, wenn das Volk gefragt wird. In Paris, Rom,
Los Angeles und Budapest - allesamt Konkurrenten Hamburgs um Olympia
2024 - werden die Einwohner nicht gefragt.

Hamburg geht da einen Schritt weiter und will die Mehrheit der
Bevölkerung hinter sich wissen, bevor es die Stadt umgräbt. «Am
Anfang soll das Referendum stehen, sonst kann man die lange Strecke
bis 2024 nicht gehen», sagte Bürgermeister Olaf Scholz. In München
vor zwei Jahren, als sich die Stadt und die Region um Winterspiele
für 2022 bewerben wollten, lehnten die Einwohner das mehrheitlich in
einer Befragung ab.

Hamburg ist optimistischer. Das Werben um die Zustimmung der 1,3
Millionen wahlberechtigten Einwohner in der Elbmetropole hält seit
März an. Da hatte sich im nationalen Wettrennen um die Gunst der
Sportverbände Hamburg gegen Berlin durchgesetzt und für eine
Überraschung gesorgt. Nicht die Hauptstadt mit ihren 3,5 Millionen
Einwohnern, das bei sportlichen Großveranstaltungen über deutlich
mehr Erfahrung verfügt, sondern das hanseatisch vornehme «Hamburch»,

das mit internationalen Spitzensport-Veranstaltungen bislang kaum
auffiel, darf an den Start gehen.

Der DOSB-Präsident lobt den Hamburger Masterplan als «faszinierendes
Konzept. Spiele der kurzen Wege - für die Athleten zum Wohlfühlen und
Entspannen». Ein kompaktes Fest am Wasser, dessen Herz mit dem
Olympiastadion auf einer Elbinsel liegt, und die meisten Wettbewerbe
in einem Radius von zehn Kilometern - das soll auch das IOC zum
Schwärmen bringen.

Die gegenwärtige Großwetterlage spielt Hamburg beim Referendum aber
nicht in die Karten: Flüchtlingskrise, Terroranschläge in Paris,
abgesagtes Fußball-Länderspiel in Hannover, DFB-Affäre, FIFA-Skandal,

flächendeckendes Doping in der russischen Leichtathletik. «Das ist
auch ein ganz besonderer Test», meinte Scholz. «Ich bin sicher, dass
sich eine Mehrheit der Hamburger für Olympische Spiele entscheiden
wird.»

Die Begeisterung in der Hansestadt war allerdings schon mal größer.
Im Frühjahr hatten sich noch 64 Prozent pro Olympia entschieden,
Anfang November waren es nur noch 56 Prozent. Mittlerweile gibt sich
der DOSB-Präsident bescheiden: «Alles, was über 50 Prozent an
Zustimmung liegt, gilt unter Demokraten als Legitimation
weiterzumachen.»

Vor allem in der Woche vor dem Volksentscheid wurde beinahe im
Stundentakt die Werbetrommel gerührt. Kaum ein Wirtschaftsverband im
Norden, der nicht nochmals seine Unterstützung für Olympia kundtat.
Am Dienstag tagten die beiden Regierungskabinette aus Hamburg und
Schleswig-Holstein gemeinsam und demonstrierten olympische Eintracht.
Da hatten die unorganisierten und finanzschwachen Gegner wenig
entgegenzusetzen. Zum Schluss kritzelten sie Parolen auf Gehwege:
«Kreide verschwindet, Schuldenberge bleiben - NOlympia.»

Drei Tage vor Wahlende eilte der mit Flüchtlingskrise und
Terrorabwehr eingespannte Bundesinnenminister Thomas de Maizière
eigens nach Hamburg, um für das Großprojekt zu werben. Den erhofften
Geldsack brachte er allerdings nicht mit. «Es geht um viel Geld. Und
da werden wir uns am Ende schon einigen», versprach er. Der Hamburger
Senat will, dass der Bund 6,2 Milliarden Euro zuschießt. 1,2
Milliarden würde die Hansestadt übernehmen. Insgesamt sollen die
Spiele 11,2 Milliarden Euro kosten. Als Erlöse werden 3,8 Milliarden
Euro erwartet.

«Im Konkurrenzkampf mit den Mitbewerbern hat Hamburg das größte
Budget. Ausgerechnet die kleinste Stadt kommt mit dem größten Etat.
Ich bin gespannt, wie das beim IOC ankommt», sagte der Sportökonom
und Ruder-Olympiasieger Wolfgang Maennig. Er sieht die Finanzen
auskömmlich kalkuliert. «In der späteren Umsetzung ist es wie beim
Hausbau: Wenn die Küche teurer wird, muss man beim Bad sparen.»