Crystal und kein Ausweg? Drogenexperten suchen nach Lösungen Von Lena Klimkeit, dpa
Den einen beschert sie intensiven Rausch, den anderen große Sorgen:
Die gefährliche Droge Crystal Meth ist weiter auf dem Vormarsch - und
noch gibt es kein Rezept dagegen. Oder doch?
Berlin (dpa) - Niemand im Ort hatte etwas davon gemerkt, dass sie die
Nächte im Rausch verbrachte. Sie konsumierte nicht nur selbst, sie
vertickte die Aufputschdroge Crystal Meth auch von zuhause aus. Nur
ihre große Tochter bemerkte den Konsum. Diese Geschichte von Nancy
Schmidt aus Thüringen erzählte die «Zeit» Anfang dieses Jahres.
Nancy Schmidt ist kein Einzelfall - das wird klar, wenn man den
Experten zuhört, die sich auf der Jahrestagung der Drogenbeauftragten
der Bundesregierung am Freitag in Berlin über den Konsum des
gefährlichen Rauschgifts austauschen. Die synthetische Substanz in
kristalliner Form gehört zur Gruppe der Amphetamine und kann
geschnupft, geraucht, geschluckt oder injiziert werden. Der Wirkstoff
Metamphetamin ist in der Szene auch als Meth, Crank oder Ice bekannt.
Die Droge steht für intensive Erregungszustände, gesteigerte
Leistungsfähigkeit - und für schnelle Abhängigkeit, Angst- und
Persönlichkeitsstörungen, schwere körperliche Schäden.
Doch gerade weil die Droge Leistungsfähigkeit und sexuelle Lust
steigert, Müdigkeit und Hunger verdrängt, ist sie auch bei jungen
Eltern beliebt. Das gehe weder an ihnen noch an ihren Kindern spurlos
vorbei, sagt Michael Klein von der Katholischen Hochschule in Köln.
Der Wissenschaftler hat Daten von Crystal-Konsumenten mit Kindern
ausgewertet. Die Eltern berichteten in Beratungsstellen selbst von
einem veränderten Tag-Nacht-Rhythmus, zwanghaften Verhaltensweisen -
und einem veränderten Auftreten gegenüber dem Kind: Impulsiv,
unberechenbar, so hätten sich die Abhängigen selbst beschrieben,
berichtet Klein.
Der Crystal-Konsum belastet ganze Familien: Es herrscht ständig
psychischer Stress, die Eltern vernachlässigen ihre Pflichten, und
die Kleinen verhalten sich schließlich erwachsener, als sie wirklich
sind. Das möge «niedlich» wirken, sagt Klein. Aber die Kinder würde
n
wichtige Entwicklungsschritte überspringen und sich verantwortlich
für ihre Eltern fühlen. Sinngemäß steht das auch in dem
«Zeit»-Artikel über Nancy Schmidts Tochter: «Das Kind hatte sich di
e
Schuld gegeben, weil es mitbekommen, aber niemandem gesagt hatte,
dass die Mutter immer so was Komisches nahm.» Gerade diese Kinder
bräuchten intensive Betreuung, mahnt Klein.
Die Erfahrungen in der Therapie von Crystal-Meth-Abhängigen seien
noch sehr begrenzt, sagt Ephrosyne Gouzoulis-Mayfrank von der
Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde.
Laut Dirk Sander von der Deutschen AIDS-Hilfe brauchen gerade auch
Männer, die mit Männern Sex haben (MSM) und Crystal nehmen,
spezifische Therapieangebote, weil es bei ihnen besondere Probleme
und Bedürfnisse gibt. Der typische «Crystal-User» in der MSM-Szene
ist ihm zufolge: um die 30, beruflich stark eingespannt, fühlt sich
isoliert und sucht Nähe, die er in seinem Leben sonst nicht bekommt.
«Für den ist die Droge einfach funktional», sagt Sander. Besonders
riskant sei der gemeinsame Spritzengebrauch. «Aber die gemeinsame
Nutzung der Spritzen bedeutet besondere Nähe.»
Vom oft als «Horror-Droge» mit «maximaler Zerstörungskraft»
beschriebenen Crystal Meth wegzukommen, ist alles andere als leicht.
Einen Kick, Grenzerfahrungen und Risiko könne man aber zum Beispiel
auch beim Klettern haben, sagt Norbert Wittmann von der Drogenhilfe
mudra aus Nürnberg. Der «Mountain Activity Club», kurz mAc, ist von
einer Gruppe junger Menschen mit unterschiedlichen Suchterfahrungen
gegründet worden, die ihre Sucht nach einer Alpenüberquerung mit
mudra überwanden.
Nun treffen sie sich mit Leuten, die noch konsumieren oder längst
darüber hinweg sind, um gemeinsam zu klettern. «Ein alternativer
Behandlungsansatz, der mehr auf das Leben hindeutet», so beschreibt
es Wittmann. Wer Drogen nehme, habe schließlich das Bedürfnis, etwas
zu erleben. «Das gute Gefühl bleibt», ist mittlerweile eines der
Mottos der Gruppe. Auch ohne Drogen.
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