Experten warnen vor zunehmender Kurzsichtigkeit Von Anja Sokolow und Annett Stein, dpa

Kindern und Jugendlichen fehlt zunehmend der Weitblick - im wahrsten
Sinne des Wortes. Die Kurzsichtigkeit nimmt zu, warnen Experten.
Stubenhocker gelten als besonders gefährdet.

Berlin (dpa) - Immer mehr Kinder und Jugendliche brauchen Experten
zufolge eine Brille oder Kontaktlinsen. «Ich gehe davon aus, dass der
Anteil kurzsichtiger Kinder und Jugendlicher in den nächsten
Jahrzehnten wahrscheinlich noch zunehmen wird», sagte der Spezialist
für Kinderaugenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg, Prof. Wolf
A. Lagrèze. Schon heute seien mehr junge Leute betroffen als noch vor
wenigen Jahrzehnten. Häufiges Nahsehen, etwa beim Lesen oder Arbeiten
am Computer, und Mangel an Tageslicht gehörten Studien zufolge zu den
Ursachen für die Sehschwäche.

Am 1. Oktober beginnt in Berlin der 113. Kongress der Deutschen
Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), bei dem Experten sich auch
zur Kurzsichtigkeit austauschen wollen.

Eine Kurzsichtigkeit (Myopie), bei der entfernte Objekte unscharf
wahrgenommen werden, ist Folge eines zu starken Längenwachstums des
Augapfels vor allem zwischen dem 6. und 18. Lebensjahr - in dem
Alter, in dem viele Heranwachsende kaum vom Handy oder Computer
wegzubekommen sind. Studien haben gezeigt, dass Tageslicht
Kurzsichtigkeit vorbeugen kann: Helles Licht hemmt dieses
Augenwachstum - wahrscheinlich über den Botenstoff Dopamin. In seinen
Sprechstunden rate er Eltern dazu, ihre Kinder täglich ein bis zwei
Stunden draußen spielen oder Sport machen zu lassen, sagte Lagrèze.

Nach kürzlich vorgestellten Daten des European Eye Epidemiology
Consortium sind in Europa derzeit knapp 16 Prozent der 65- bis
69-Jährigen kurzsichtig. Bei den 55- bis 59-Jährigen haben schon fast
28 Prozent mindestens minus 0,75 Dioptrien - und bei den 25- bis
29-Jährigen sind es gut 47 Prozent, berichteten die Forscher im
«European Journal of Epidemiology». Groß angelegte Kohortenstudien
mit belastbaren Zahlen zu Kindern und Jugendlichen gibt es laut
Lagrèze in Europa aktuell nicht.

Ein noch größeres Problem ist die Kurzsichtigkeit in Asien: In
Südkorea ergab die Untersuchung von 19-jährigen Rekruten, dass mehr
als 96 Prozent mindestens minus 0,5 Dioptrien hatten. Jeder Fünfte
war mit mindestens minus sechs Dioptrien schwer kurzsichtig. Eine
Studie in China zeigte, dass etwa 90 Prozent der Studenten dort eine
Brille tragen müssen. In Taiwan ergab eine Analyse, dass inzwischen
rund 84 Prozent der Kinder kurzsichtig sind.

«Die Kinder gerade in China und Südkorea beginnen schon sehr jung mit
dem Lernen und machen dabei sehr viel Naharbeit, vor- und
nachmittags», erklärte Prof. Norbert Pfeiffer, Direktor der
Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz. Zudem spielten die Kinder
generell seltener draußen, nicht nur infolge der vielen Schularbeit.
«Und drittens sind uns diese Länder im Gebrauch von
Unterhaltungselektronik weit voraus.»

«Kinder in Singapur sind im Mittel etwa 2,7 Stunden draußen - pro
Woche», sagte Prof. Frank Schaeffel vom Forschungsinstitut für
Augenheilkunde der Universität Tübingen. «Mit 20, 30 Jahren
Verzögerung werden wir in Deutschland eine ähnliche Situation haben»,

befürchtet er. Lagrèze sieht die Zukunft hierzulande nicht ganz so
dramatisch: «Die Schüler in Asien pauken aktuell einfach viel mehr
als in Europa und genetische Faktoren spielen zwar eine kleine, aber
möglicherweise doch relevante Rolle.»

Seinen Angaben zufolge gibt es derzeit weltweit 1,5 Milliarden
kurzsichtige Menschen, darunter 0,05 Milliarden stark kurzsichtige.
Hochrechnungen zufolge werden es 2050 rund fünf Milliarden Betroffene
sein, darunter eine knappe Milliarde stark kurzsichtiger Menschen.
«Das ist ein bedrohliches Szenario», sagte Lagrèze. Eine starke
Kurzsichtigkeit gilt als Risikofaktor für andere Augenerkrankungen
wie Grünen und Grauen Star oder Netzhautablösungen.

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