Neuer Trend Faszientraining: Rollen, federn, dehnen Von Irena Güttel, dpa

Faszien - noch nie gehört? Dann wird es Zeit. Denn Faszientraining
ist total angesagt. Es zielt auf einen lange vernachlässigten Teil
unseres Körpers: das Bindegewebe.

Bremen (dpa) - Das Bindegewebe hat es nicht leicht. Entweder wird es
komplett ignoriert oder es fällt unangenehm auf - wenn sich unschöne
Schwangerschaftstreifen oder Cellulite am Körper abzeichnen. Doch
inzwischen ist ein wahrer Hype um die sogenannten Faszien entstanden.
Faszientraining soll nicht nur bei chronischen Schmerzen helfen,
sondern den Körper auch straffer, geschmeidiger, leistungsfähiger
machen. Klar, dass gesundheitsbewusste Hollywood-Stars wie Gwyneth
Paltrow auf den speziellen Workout schwören - obwohl dessen Wirkung
noch nicht wissenschaftlich belegt scheint.

Die Theorie: Als Faszien bezeichnen Wissenschaftler das faserige
Bindegewebe im Körper. Es umschließt Knochen, Muskeln und Organe. Wie
ein Spinnennetz ziehen sich die festen und elastischen Fasern durch
den Körper. Sie stützen uns bei jeder Bewegung, leiten Informationen
weiter und tragen zur Körperwahrnehmung bei. Doch sie können auch die
Ursache für Schmerzen und andere Gesundheitsprobleme sein. «Faszien
können verfilzen, dünn und spröde werden, wenn wir sie zu wenig
belasten», erläutert der Biologe Robert Schleip, der an der
Universität Ulm eine Faszien-Forschungsgruppe leitet. Aber auch zu
viel Sport kann schädlich sein. Faszientraining, das Belastung
richtig dosiert, soll da Abhilfe schaffen.

Die Praxis: Die Bremer Pilatestrainerin und Heilpraktikerin Sandra
Wegeng legt sich eine Faszienrolle unter den Oberschenkel und bewegt
diese langsam auf und ab. Ganz entspannt sieht das aus, doch die
Kursteilnehmer stöhnen. Mit der harten Schaumstoffrolle walken sie
nach und nach Beine, Rücken, Arme durch. Die je nach Körperpartie
angenehme bis schmerzhafte Massage soll Verhärtungen lösen. «Mit der

Zeit wird es besser», verspricht Wegeng. «Man merkt richtig, wie sich
das Bindegewebe umbaut.»

Vor kurzem hat die 36-Jährige eine Faszien-Fortbildung gemacht. Neben
der Rollmassage gehören dazu auch federnde Bewegungen, Dehnungen und
Übungen zur Körperwahrnehmung. Damit liegt die Trainerin voll im
Trend. Zahlreiche Fitnesscenter, Yoga- und Pilatesstudios und sogar
Volkshochschulen bieten inzwischen Faszientraining an. «Das hat einen
richtigen Hype erfahren», sagt Gabriele Fröhlich von der
Volkshochschule im baden-württembergischen Esslingen. Diese hat seit
einem Jahr mehrere Faszienkurse und -workshops im Programm, die immer
gut gebucht sind. Das Ziel: weniger Schmerzen, mehr Beweglichkeit und
eine geringere Verletzungsgefahr beim Sport.

Der Effekt: Ihr Körper sei dank des Bindegewebstrainings länger und
schlanker geworden, schwärmt die US-Schauspielerin Paltrow in ihrem
Lifestyle-Blog. Doch Experten warnen vor zu viel Euphorie. «Die
klinische Wirksamkeit des Faszientrainings ist noch nicht zuverlässig
erforscht», sagt Schleip. An der Uni Ulm laufen dazu gerade Studien,
die aber noch andauern. «In letzter Zeit wird Faszientraining in
Deutschland zu stark auf die Rollen reduziert», findet der Forscher.
Diese verkauften sich zurzeit millionenfach. «Das ist ein ganz netter
Beginn, reicht alleine aber nicht.»

Für völlig übertrieben hält der Sportwissenschaftler Ingo Froböse
den
Hype um das Bindegewebe. «Wenn man seine Muskeln richtig trainiert,
sind die Faszien immer mit dabei. Ein spezielles Faszientraining ist
nicht notwendig - außer wenn ich ein Defizit habe.» Rollen, dehnen
und sanfte Gymnastik können ein richtiges Ausdauer- und Krafttraining
nicht ersetzen. «Es ist eine Hilfe zur Selbsthilfe», meint auch die
Pilatestrainerin Wegeng. Man bekomme Übungen zur Hand, die man zu
Hause zusätzlich machen kann. Und allen, die wenig Zeit für Sport
finden, empfiehlt Schleip: Bevor man auf Joggen und Muskeltraining
verzichtet, lieber den Faszienworkout ausfallen lassen.

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