Die gestresste Gesellschaft: Suche nach Schutzfaktoren Von Andrea Barthélémy, dpa
Was kann man tun, um sich vor Burn-out oder gar Depressionen zu
schützen? Seiner genetischen Veranlagung ist man zumindest nicht ganz
hilflos ausgeliefert, sagen Forscher.
Berlin (dpa) - Der eine arbeitet 80-Stunden-Wochen Jahr für Jahr und
fühlt sich bestens. Dem anderen geht im Teilzeitjob die Puste aus
oder er rutscht aus der Arbeitslosigkeit in eine chronische
Erschöpfung. Was macht manche Menschen anfälliger für Burn-out,
Stress oder auch Depressionen? Und was verschafft anderen mehr
Widerstandskraft? Diesen Fragen geht unter anderem ein
Forschungsprojekt zu Resilienz gegen Stress und Burn-out der Daimler
und Benz Stiftung nach - und es gibt erste Antworten, die am Mittwoch
in Berlin auf dem Kolloquium «Die gestresste Gesellschaft» diskutiert
wurden.
«Die gute Nachricht ist: Wir wissen, dass uns unsere Gene nicht mehr
fatalistisch beeinflussen», sagt Projektleiter Martin Reuter,
Professor für Differentielle und Biologische Psychologie an der
Universität Bonn. Demnach konnten die Forscher zunächst im
Tierversuch, mittlerweile aber auch in einer großen Studie mit rund
1500 Probanden nachweisen, dass nicht nur im ererbten Genmaterial
bestimmte Risikofaktoren für Depression und andere für Burn-out
enthalten sein können. Darüber hinaus verändern verschiedenste
Umwelteinflüsse die Aktivität der Gene (Epigenetik) - und zwar in
schützender wie in negativer Hinsicht.
Dieser Prozess, Methylierung genannt, verändert das Gen, so dass es
gar nicht mehr oder nur noch schlecht abgelesen werden kann.
Bestimmte Genprodukte, etwa vor Stress schützende Hormone, können
dann nicht mehr produziert werden. Umgekehrt können äußere Umstände
den Methylierungsprozess jedoch auch günstig beeinflussen - und die
Widerstandskraft fördern. Diese Erkenntnis könne für
individualisierte Medizin und Psychotherapie genutzt werden, hofft
Reuter.
«Traditionell versteht man unter Resilienz die Fähigkeit eines
Individuums, mit Widrigkeiten umzugehen und ein 'normales
Funktionieren', also Wohlbefinden und Gesundheit,
aufrechtzuerhalten», sagt Reuter. Das falle einigen leichter als
anderen, aber die meisten könnten die täglichen Probleme bewältigen -
«sie liegen quasi im Normbereich einer Gauß'schen Glockenkurve». Auf
die Randbereiche dieser Kurve legte Reuters Team nun sein Augenmerk.
«Burn-Out erinnert in seinen Symptomen wie Antriebsarmut oder
Affektverflachung an eine Depression. Es handelt sich jedoch vielmehr
um einen Zustand, der zur Depression führen kann», sagt Reuter. Diese
Meinung ist allerdings unter Experten umstritten. So ist das
Krankheitsbild Burn-out auch bislang nicht offiziell anerkannt - und
kann also nur unter anderer Diagnose therapiert und mit den
Krankenkassen abgerechnet werden. «Wir müssen deutlich früher und
gezielter behandeln. Heute erhalten nur zehn Prozent der Patienten
eine adäquate Therapie», betonte Prof. Martin Keck vom
Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München.
Für die Teilnehmer des Kolloquiums stand aber nicht nur die
möglicherweise bald individuellere Therapierbarkeit, sondern auch die
Prävention im Zentrum. «Wir können gesamtgesellschaftliche Probleme
nicht allein auf das Gesundheitssystem als Reparaturbetrieb
abschieben», sagte Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara
Steffens. Und Arbeitspsychologin Prof. Antje Ducki (Beuth Hochschule
für Technik, Berlin) ergänzte, auch Unternehmen könnten hier einen
großen Beitrag leisten, indem sie verschiedenste Maßnahmen einer
«betrieblichen Mäßigungskultur» pflegten. Bislang gelte:
«Kontinuität, Verlässlichkeit, Stille, Langsamkeit und Fokussierung
werden zunehmend aus dem Arbeitsleben in die Führungskräfteseminare
von Mönchsorden und in Burn-out-Kliniken verschoben.»
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