Familienunternehmer zwischen Verkaufen und Vererben Von Gioia Forster, dpa
Seit Dezember hängt die Erbschaftssteuer-Reform wie ein
Damokles-Schwert über vielen Familienunternehmen. Wer dabei verschont
werden soll, wird von Politik und Wirtschaft heiß diskutiert.
Unternehmer aber müssen jetzt entscheiden: Warten oder Handeln?
Göppingen (dpa) - Eigentlich will Ulrich Proß seinen Söhnen seine
Anteile des Familien-Krankenhauses vererben. «Ich habe eine starke,
familiäre Bindung zu dem Klinikum», sagt der 73-jährige Rechtsanwalt.
Seit über 160 Jahren ist das Klinikum Christophsbad in Göppingen bei
Stuttgart in Familienhand - so soll es auch bleiben. Proß ist einer
von 68 Gesellschaftern und steht vor der entscheidenden Frage: Können
sich seine Söhne das Erben leisten?
Wie viele andere Familienunternehmer bangt Proß um die Reform der
Erbschaftssteuer, die seit Dezember letzten Jahres ansteht. Da hat
das Bundesverfassungsgericht die Erbschaftssteuer gekippt - und die
pauschale Steuer-Verschonung der Familienunternehmen als
unverhältnismäßig erklärt.
Die Bundesregierung muss nun bis Ende Juni 2016 eine Neuregelung
finden. Am 7. Mai treffen sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
und seine Landesministerkollegen in Berlin, um mögliche Reformen zu
diskutieren. Schäuble plant eine deutliche Ausweitung der
Steuerpflicht für Firmenerben. Schon mit seinem ersten
Änderungsvorschlag hat er sich bei Familienunternehmern unbeliebt
gemacht: Demnach soll etwa ab einer Freigrenze von 20 Millionen Euro
je Erbfall eine «Bedürfnisprüfung» greifen. Die Erben müssten dan
n
eventuell mit ihrem Privatvermögen die Steuer selber zahlen.
«Das kommt dem Kauf eines Unternehmens mit allen Belastungen und
Risiken gleich», sagt Mitglied des Vorstands der Stiftung
Familienunternehmen, Rainer Kirchdörfer. «Den Nutzen hat die
Volkswirtschaft, die Last trägt der Nachfolger allein und zwar unter
Einsatz seines Privatvermögens.»
Das Risiko werden einige Erben wohl nicht eingehen wollen. Oder
können: Einer der Söhne von Proß ist Künstler und wird die Steuer
ohne Hilfe des Vaters womöglich nicht zahlen können. Bei
Krankenhäusern in privater Hand, so Proß, ist die Steuer zudem
weitaus belastender, da der Betrieb weder Preise festlegen kann noch
aus dem Unternehmensvermögen die Steuer bezahlen kann.
«Ich versuche, die Mittel zu sparen, um meinen Kindern bei der
Begleichung der Erbschaftssteuer zu helfen», sagt Proß. «Aber die
Ersparnisse sind Teil meiner Altersvorsorge.» Wenn ihm das nicht
gelinge, bleibe seinem Sohn nur die Kündigung der Anteile. Das
Familienkrankenhaus müsse den Künstler dann ausbezahlen. «Wenn das so
weitergeht, ist irgendwann das Krankenhaus weg.»
Zwar wäre mit der Neuregelung die Verschonung für nur 13 600
Familienunternehmen - zwei Prozent aller Familienbetriebe - infrage
gestellt, wie aus einer Studie des Instituts der deutschen
Wirtschaft Köln im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen
hervorgeht. Diese machen demnach aber knapp 60 Prozent der Umsätze
aller Familienunternehmen aus - rund 1,65 Billionen Euro.
«Uns würde die mittelständische Unternehmensstruktur in Deutschland
verloren gehen», befürchtet der Stuttgarter Rechtsanwalt Heinrich
Hübner, der Firmen bei Übergaben berät. Durch die Berechnung des
Unternehmenswertes - derzeit ein Faktor von 18,2 auf den
Jahresüberschuss - würde die Steuer teilweise über das Eigenkapital
der Firma hinausgehen. «Das ist einfach zu hoch.» Um das zu umgehen,
würden einige Familien seiner Meinung nach Anteile ins Ausland
verkaufen, andere müssten Privatinvestoren reinholen.
Sabine Herold und ihr Mann haben sich entschieden, noch vor dem neuen
Gesetz zu handeln. «Uns macht das Unternehmen Spaß und wir haben
nicht vor, es zu verkaufen», sagt die 52-jährige Mitinhaberin von
Delo, einem Hersteller von Spezialklebstoffen in Windach bei München.
Sie haben eine Stiftung gegründet, welche die Anteile am Unternehmen
erben soll. Bei einigen bekannten Familienunternehmern komme es
derzeit zu hektischen Schenkungen oder Verkäufen. «Das bereitet mir
große Sorgen.» Ihre Firma selbst bekomme fast wöchentlich
Kaufangebote.
Für Rechtsanwalt Hübner ist klar: Egal wie die neue Gesetzeslage
aussehen wird, sie werde vermutlich für viele Familienunternehmen
problematisch ausfallen. Aus seiner Sicht sollten Unternehmer noch
vorher ihre Nachfolge regeln. Für manche Familien wie die von
Krankenhaus-Gesellschafter Proß ist das momentan nicht möglich. Ihm
bleibt nur: Abwarten.
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