Hebammen besorgt über Trend zum «Babyfernsehen» per Ultraschall Interview: Susanne Kupke, dpa

Geburt nach Plan und «Babyfernsehen» per Ultraschall - die moderne
Technik macht manches möglich, aber nicht alles ist wünschenswert,
finden Hebammen. Sie sorgen sich um die Entscheidungsfreiheit der
Frauen - und auch um ihren Berufsstand.

Karlsruhe (dpa) - Hebammen gehen am Dienstag bundesweit auf die
Straße. Sie beklagen schlechtere Arbeitsbedingungen und fürchten auch
um eine angemessene Versorgung für Schwangere. Angesichts der Zunahme
von Kaiserschnitten und dem Trend zum «Babyfernsehen» per Ultraschall
warnen sie zudem vor einer Entmündigung der Frauen: «Da geht auch das

Gespür der Mutter zum Kind verloren», sagte Martina Klenk, die
Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, im Interview der
Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Jede dritte Frau bringt in Deutschland ihr Baby mit
Kaiserschnitt zur Welt - Tendenz zunehmend. Was ist so schlimm daran?

Antwort: Es ist einfach nicht nötig. Durch eine zunehmende
Medikalisierung und Technisierung sind Frauen zunehmend verunsichert
und haben kein Zutrauen mehr in ihre eigene Körperkompetenz. Geburt
wird als Risiko gesehen statt normalem Lebensereignis. Das ist
schade.

Frage: Gibt es auch andere Motive?

Antwort: Es sind oft haftungsrechtliche Gründe oder finanzielle.
Manche Kliniken machen mehr Kaiserschnitte, weil sie das besser
vergütet bekommen. Auf Kosten der Frauen. Wunsch-Kaiserschnitte wegen
der Karriereplanung oder um die «Liebesorgane» zu schonen, gibt es
eher weniger.

Frage: Welche Trends machen Ihnen noch Sorgen?

Antwort: Das «Babyfernsehen» - der Trend, das Kind im Bauch schon im
Ultraschall zu beobachten. Das sehen wir eher skeptisch. Da geht auch
das Gespür der Mutter zum Kind verloren. Das Baby wird als eigenes
Gegenüber gesehen, statt eine Einheit von Mutter und Kind. Das führt
dazu, dass Frauen sich nicht mehr so viel zutrauen. Medizinische
Experten sollen dann Risiken selektieren. Das ist problematisch -
auch weil Frauen immer später Mütter werden.

Frage: Was ist mit Hausgeburten?

Antwort: Es gibt nicht mehr so viele Hausgeburten. 98 Prozent der
Kinder werden in Kliniken geboren.

Frage: Woran liegt das?

Antwort: Das hat auch etwas mit der enormen Prämiensteigerung der
Haftpflichtversicherung für einen eventuellen Schadensfall zu tun,
die Hebammen bezahlen müssen. Angesichts von jährlichen
Versicherungskosten von 6200 Euro ab Juli bei einer freiberuflichen
Hebamme bieten viele der bundesweit rund 20 000 Hebammen Geburtshilfe
schon gar nicht mehr an. Sie kümmern sich stattdessen um
Schwangerenvorsorge, Wochenbettbetreuung und Rückbildungsgymnastik.

Frage: Was müsste geschehen?

Antwort: Wir haben für eine langfristige politische Lösung der
Haftpflichtfrage eine Schadensregulierung über einen Fonds
vorgeschlagen. Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen
GKV-SV, muss sich endlich bewegen. Wir planen aktuell die
Schiedsstelle anrufen, weil die Verhandlungen mit den Kassen
gescheitert sind - wegen den nicht überbrückbaren Differenzen bei
Hausgeburten. Vorgespräche von Hebammen sollen nicht mehr ausreichend
finanziert werden; auch soll die Hebamme in einigen Fällen nicht mehr
alleine über eine Hausgeburt entscheiden können.

Frage: Was würde das bedeuten?

Antwort: Ein Großteil der Hausgeburten wäre künftig private Leistung.

Die freie Wahl des Geburtsortes für Frauen wäre damit massiv
eingeschränkt.

Frage: Sie haben am Dienstag zu bundesweiten Aktionen zum
internationalen Hebammentag aufgerufen, warum?

Antwort: Wir brauchen endlich eine langfristige Lösung der
Haftpflichtproblematik. Die Vergütung von freiberuflichen und in der
Klinik tätigen Hebammen zwischen 1800 und 2400 Euro ist angesichts
der Verantwortung und Arbeitsbelastung mit vielen Nachtschichten und
Bereitschaftsdiensten viel zu gering. Vor allem in Kliniken herrschen
miserable Bedingungen, weil das Personal drastisch reduziert wurde
und es eine unglaubliche Arbeitsverdichtung gibt. Wenn eine Hebamme
drei bis fünf Frauen gleichzeitig betreuen muss und übermüdet ist,
können Fehler passieren.

Frage: Was befürchten Sie?

Antwort: Es geht nicht nur um unseren Berufsstand. Es geht um die
Versorgung von Frauen und Familien durch Hebammen-Hilfe. Wenn die
wegbricht, haben wir gesundheitliche Mangelzustände. In grenznahen
Regionen und Großstädten wie Frankfurt gibt es schon jetzt Probleme,
am Wochenende eine Hebamme für die Nachsorge zu Hause zu bekommen.
Wir haben bereits einen Versorgungsmangel in Deutschland. Das
betrifft viele Frauen und Familien. Wir rufen diese und weitere
Unterstützer deshalb dazu auf, mit uns Gesicht zu zeigen am
Hebammentag.

ZUR PERSON: Martina Klenk (54), ist seit 2009 Präsidentin des
Deutschen Hebammenverbandes mit rund 18 800 Mitgliedern. Als Hebamme
hat sie seit 1991 unzählige Kinder zur Welt gebracht. Eigene Kinder
hat sie jedoch nicht.

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