Uni, Sparkassen und Frankenstein - Folgen einer Vulkan-Eruption Von Roland Böhm, dpa

Was haben Sparkassen, der Stuttgarter «Wasen», das Fahrrad und
Frankenstein gemeinsam? Möglicherweise haben sie alle ihren Ursprung
im größten Vulkanausbruch der Neuzeit vor 200 Jahren in Indonesien.

Stuttgart (dpa) - Kann ein gigantischer Vulkanausbruch auf Indonesien
das Leben in Deutschland dramatisch verändern? Mehr als man glaubt,
wissen Stuttgarter Umwelt- und Geschichtsexperten. Die Folgen der
gewaltigen Eruption des Tambora auf der Insel Sumbawa vor allem am
10. und 11. April 1815 ließen sich noch vielfach im Südwesten
nachvollziehen. In der globalen Naturkatastrophe, verbunden mit
Ernteausfällen und Verarmung auch in Europa, lägen die Ursprünge der

Sparkassen, der Agrar-Universität Hohenheim und des Cannstatter
Volksfests auf dem Stuttgarter «Wasen».

Im damals armen Württemberg habe es als Reaktion eine «Explosion der
Ideen» gegeben, erläutert der Leiter der Akademie für Natur- und
Umweltschutz, Claus-Peter Hutter. Sogar die Erfindung des Fahrrades
habe mit dem Tambora zu tun. Und die Horror-Figur Frankenstein.

1816: Im Jahr nach dem Vulkanausbruch macht sich die Katastrophe von
der anderen Seite der Welt dann auch in Europa dramatisch bemerkbar.
«Ohne dass man damals die Ursache kannte», wie Thomas Schnabel
berichtet, der Direktor des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg
in Stuttgart. Von April bis September gehen Regen-, Graupel- und
Schneeschauer nieder. Getreide verschimmelt, Kartoffeln verfaulen,
Äpfel und Trauben reifen nicht. Ernteausfälle, Seuchen und
Hungersnöte raffen Hunderttausende Menschen dahin. Die Brötchen
schrumpfen. Brot wird mit gemahlenem Stroh und Sägemehl gestreckt.
Noch heute spricht man vom «Jahr ohne Sommer». Betroffen ist vor
allem der Süden Deutschlands.

In Indonesien sterben 1815 im glühenden Ascheregen und durch einen
Tsunami mehr als 100 000 Menschen. «Wir dürfen nicht vergessen: Da
war die eigentliche Katastrophe», sagt Schnabel. Vom einst 4300 Meter
hohen Tambora werden mehr als 1400 Meter weggerissen. Staub, Asche
und Geröll werden 50 bis 70 Kilometer hoch geschleudert.

UNIVERSITÄT: Letztlich habe man damals im arg gebeutelten Württemberg
«die richtigen Antworten gefunden», sagt Stephan Dabbert, Rektor der
Universität Hohenheim. Das Königspaar habe auf Wissen, Forschung und
Nachhaltigkeit gesetzt. Als die Preise für Grundnahrungsmittel nach
der Missernte 1816 um 200 bis 500 Prozent steigen, gründet Wilhelm I.
die landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt
Hohenheim bei Stuttgart - den Kern der späteren Universität. Die
Innovationskraft von einst lässt sich heute noch im Deutschen
Landwirtschaftsmuseum auf dem Campus nachvollziehen.

SPARKASSEN: Königin Katharina ruft angesichts der Hungersnot die
«Centralleitung des Wohltätigkeitsvereins» ins Leben und gibt damit
den Anstoß zur Gründung der Landessparkasse als ältester Wurzel der
heutigen Landesbank Baden-Württemberg. «Die einfache Bevölkerung
sollte eine Möglichkeit haben, auch kleine Geldbeträge sicher
aufzubewahren», erzählt Stephan Schorn, Sprecher des
Sparkassenverbandes. Zinsen habe es damals aber noch nicht gegeben.
«Es ging zunächst nur ums Aufbewahren.»

VOLKSFEST: Die Fruchtsäule auf dem «Wasen» erinnert heute noch an die

Ursprünge des alljährlichen Cannstatter Volksfests. Als die Menschen
nach den Ernteausfällen und langer Not endlich wieder Essen haben,
zieht Monarch Wilhelm I. seine Lehren: 1817 gründen er und seine Frau
die «Centralstelle des landwirtschaftlichen Vereins», um die
Landwirtschaft zu reformieren und die Bauern fortzubilden. Im
September 1818 feiert das Landwirtschaftliche Hauptfest seine
Premiere, mit Pferderennen, Preisen für Viehzucht und einer
Ausstellung.

FAHRRAD: Es gibt nicht genug Getreide, massenweise sterben in der Not
auch Pferde, was zu Transportproblemen führt. Beweise gibt es nicht,
letztlich könnte der Tambora-Ausbruch aber auch 1817 Karl Freiherr
Drais in Karlsruhe auf die Idee gebracht haben, seine Draisine als
Transportmittel ohne Pferdekraft zu erfinden - das erste Fahrrad.

FRANKENSTEIN: In der Dichterwelt hält sich laut Schnabel die Legende,
dass der Tambora-Ausbruch auch für Frankenstein & Co. verantwortlich
ist. Im Horror-Wetter im «Sommer ohne Sonne» habe Lord Byron am
Genfer See sein Gedicht «Finsternis» verfasst, auch entstanden
Geschichten um Protagonisten, die als Prototypen des Vampirs gelten.
Der Ursprung des Romans «Frankenstein oder Der moderne Prometheus»
von Mary Shelley, einem der bekanntesten Horror-Romane der
Weltliteratur, soll ebenfalls im düsteren Tambora-Sommer liegen.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite