«Ich brauche klare Anweisungen» - Ein Autist findet seinen Traumjob Von Bernhard Sprengel, dpa
Was meint der Gesprächspartner bloß? Diese Frage ist für Autisten
schwer zu beantworten. Am Arbeitsplatz scheitern sie darum oft - doch
das muss nicht sein. Darauf will auch der Welt-Autismus-Tag an diesem
Donnerstag aufmerksam machen.
Hamburg (dpa) - Leif Petersen steht an der Kasse eines Reformhauses
in Hamburg und verkauft Bio-Brot. Wer den freundlich lächelnden
jungen Mann beobachtet, dürfte kaum bemerken, dass an einer schweren
Entwicklungsstörung leidet: Der 29-Jährige ist Autist. Petersen
verkauft nicht nur, sondern berät Kunden, räumt Waren ein oder bringt
sie den Käufern mit seinem Auto nach Hause. Zweimal pro Woche geht er
zur Berufsschule. Sein Ziel: Verkäufer für Reform- und Diätwaren.
«Ich brauche eine Chefin, die mir klare Anweisungen gibt, die auch
Verständnis für meine Situation hat», sagt Petersen. Tanja Parker hat
Verständnis. «Herr Petersen ist über ein langes Praktikum gekommen.
Da hat er sich so gut gezeigt», berichtet die Reformhaus-Inhaberin.
«Das ist ein junger Mann, der wahnsinnig freundlich ist und auf den
man sich total verlassen kann.»
Parker kennt aber auch die Schwächen ihres Azubis. Er könne nicht
mehrere Sachen gleichzeitig machen, etwa einen Kunden beraten und
gleichzeitig die Kasse im Blick behalten. Schwierigkeiten habe er
auch, wenn es mehr um Zahlen und Schriftliches geht. Und sie gibt ihm
klare Anweisungen, auch was die persönliche Hygiene angeht.
Fachlich seien Autisten am Arbeitsplatz oft gar nicht eingeschränkt,
sagt Friedrich Nolte vom Bundesverband Autismus Deutschland. Sie
hätten eher Probleme im informellen Bereich. Manche kämen regelmäßi
g
zu spät, sprächen sich nicht mit Kollegen ab, beteiligten sich nicht
am Small Talk und gälten unter Umständen als arrogant. «Durch solche
Dinge kann es dann schwierig werden», sagt Fachreferent Nolte.
Petersens Chefin ist bereit, ihrem Schützling mehr Zeit und
Unterstützung bei der Bewältigung seiner Aufgaben zu geben. Sie
erwähnt dabei, dass sie selbst ein Kind mit einer
Entwicklungsverzögerung hat und sich über die nicht funktionierende
Inklusion in der Schule ärgert. In ihrem Geschäft sei es eine Freude
mit so einem Menschen wie Petersen zusammenzuarbeiten, betont sie.
Ihre Einstellung wird offenbar von nicht so vielen Arbeitgebern
geteilt. Der Bundesverband Autismus beklagt zum Welt-Autismus-Tag am
2. April eine Diskriminierung der Betroffenen. Kindern mit einer
autistischen Störung werde der Zugang zur angestrebten Schulform
verweigert, Erwachsene hätten meist keine Chance auf eine Wohngruppe
oder einen Arbeitsplatz in einer Behindertenwerkstatt. Eine
«Benachteiligungsspirale» von unzureichender Schulbildung über
fehlende Arbeit und geringes Einkommen dränge Menschen aus der Mitte
der Gesellschaft, kritisiert die Vereinsvorsitzende Maria Kaminski.
Autisten, die sich um eine Stelle bewerben, würden zu 80 bis 90
Prozent schon im Vorstellungsgespräch scheitern, sagt Astrid Grothe
von autWorker, einer Hamburger Genossenschaft, die Menschen wie Leif
Petersen bei der beruflichen Integration unterstützt. Einige
IT-Firmen stellen inzwischen aber gezielt qualifizierte Menschen mit
dem Asperger-Syndrom, einer leichteren Form des Autismus, ein.
Auch Petersen ist qualifiziert. Er hat schon eine Ausbildung als
Sozialtherapeutischer Assistent und eine als Gärtner im Obstanbau
abgeschlossen. Auch ein längeres Praktikum in einer
Karosseriebau-Firma hat er hinter sich. «Diese Arbeit war nicht so
mein Ding», sagt Petersen. Er sei mit den Kollegen nicht gut
zurechtgekommen. Im Reformhaus fühlt er sich dagegen wohl: «Das ist
eine wunderbare Arbeit.» Nach der Ausbildung möchte er dort bleiben.
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