Rivalen im Kampf um reisende Patienten Von Sophie Rohrmeier, dpa
Sie kämpfen um Patienten aus aller Welt: Kliniken in Deutschland
verdienen gut an Medizintouristen. Die Ukraine-Krise und ihre Folgen
schlagen jetzt allerdings durch - bis in die Kassen deutscher
Krankenhäuser.
Berlin/Moskau (dpa) - «Es gibt Leute, die für die Behandlung in
Deutschland ihre Wohnung verkaufen», sagt Irina Parulava. Sie holt
Patienten aus Russland an Kliniken im ganzen Bundesgebiet. «Aber das
sind dann natürlich Leute, die eine zweite Wohnung haben», fügt die
Betreuerin hinzu, die an diesem Tag drei Kunden an der Deutschen
Klinik für Diagnostik (DKD) in Wiesbaden begleitet. Russland ist das
wichtigste Herkunftsland von Medizintouristen in Deutschland. Doch
einige russische Patienten hätten nun ihre Termine abgesagt, erzählt
Parulava. Die Rubel-Krise mache es selbst der wohlhabenden russischen
Mittelschicht schwerer, deutsche Ärzte zu bezahlen.
Das bekommen die Krankenhäuser zu spüren, die an Auslandspatienten
sonst gut verdienen. «Wir wissen von den Kliniken, dass sie es
merken», sagt Jens Juszczak, der führende Experte für
Medizintourismus in Deutschland. Er forscht an der Hochschule
Bonn-Rhein-Sieg und berät Krankenhäuser bei ihrem Geschäft mit
Patienten aus dem Ausland.
Nach den aktuellsten Zahlen, die der Wirtschaftswissenschaftler
zusammengetragen hat, ließen sich 2013 mehr als 97 000 Patienten aus
177 Ländern stationär und rund 144 000 ambulant in Deutschland
behandeln. Das bedeutet Juszczak zufolge ein Zuwachs von 7,7 Prozent
gegenüber dem Vorjahr.
Üblicherweise kommen aus keinem anderen Land so viele Patienten nach
Deutschland wie aus Russland. Fast 11 000 waren es dem Statistischen
Bundesamt zufolge 2013. Aus den anderen GUS-Staaten wurden noch
einmal mehr als 3000 Menschen in Deutschland behandelt. Die Zahlen
von 2014 liegen noch nicht vor. Dennoch: Juszczak ist sich sicher,
dass sich im vergangenen Jahr wegen der Ukraine-Krise weniger
russische Patienten an deutschen Kliniken behandeln ließen.
Aufgrund der Sanktionen gegen Moskau kommen Russen nicht mehr so
einfach an ihr Geld im Ausland ran, wie der Ökonom sagt. Und der
Rubel ist weniger wert - nicht nur in Euro-Ländern. Auch Schweizer
Franken sind für Russen deutlich teurer geworden. Dennoch: «Ich habe
auch Aussagen mitbekommen, dass die deutsche Politik in diesem
Konflikt nicht besonders begrüßt wird - und die Leute deshalb lieber
in die Schweiz gehen als nach Deutschland.»
Das sieht die Marketingleiterin der Deutschen Zentrale für Tourismus
(DZT) in Moskau, Alla Belikova, anders: «Aufgrund der Rubelentwertung
sehen wir einen Rückgang, aber die Patienten gehen nicht in die
Schweiz, sondern verzichten vielmehr auf nicht akute Behandlungen.»
Von der Politik werde die Entscheidung nicht beeinflusst. «Das Image
Deutschlands als das Land mit Leistungsmedizin ist unschlagbar», sagt
Belikova.
Ein Klinikverband, der um Auslandspatienten wirbt und die Folgen des
Konflikts mit Russland um die Ukraine spürt, ist das Medical Network
Hessen. Es kämen signifikant weniger russische Medizintouristen nach
Hessen, berichtet Vorstandsmitglied Burkhard Bigalke.
Zwar steigen immer mehr deutsche Kliniken in das Geschäft mit
Auslandspatienten ein. Doch noch spielen Juszczak zufolge nur rund
zehn bis zwölf Prozent der etwas mehr als 2000 Kliniken hierzulande
eine nennenswerte Rolle. Wie lukrativ das Geschäft für die einzelnen
Häuser ist, lässt sich nur schätzen.
Insgesamt fast 1,2 Milliarden Euro nahmen deutsche Krankenhäuser 2013
mit Patienten aus dem Ausland ein, vermutet Juszczak. «Das ist aber
extrem konservativ geschätzt», sagt der Ökonom. Für die wenigen akt
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am Markt beteiligten Kliniken geht es also um reichlich Geld.
Geld, das auch dank Vermittlerinnen wie Irina Parulava in die Kassen
kommt. Von ihrem guten Leumund in Russland profitiert unter anderem
die DKD in Wiesbaden. Die Begleitung der Patienten stellt Parulava
der Klinik in Rechnung. Diese reicht die Kosten an die Kunden weiter.
Die Patienten müssen die Kliniken allerdings erst einmal für sich
gewinnen. Im Januar zum Beispiel reiste Bigalke mit drei Ärzten von
der Uniklinik Marburg und einer Homburger Privatklinik in das
Sultanat Oman zu einer internationalen Medizinmesse. Dorthin kommen
vor allem auch Patienten.
Einige Kliniken schicken auch Vertreter in Talkshows oder schalten
Werbung in den Zielländern. «Da wird schon gekämpft», sagt Ökonom
Juszczak. In der Rhein-Main-Region etwa rivalisieren die DKD in
Wiesbaden, die Unikliniken von Frankfurt, Marburg oder Mainz und
einige Privatkliniken miteinander.
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