Kinderwunsch auf Eis - Wenn Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen Von Stefanie Järkel, dpa
Entweder der passende Partner fehlt oder der nächste Karrieresprung
steht an - immer mehr Frauen in Deutschland lassen sich aus sozialen
Gründen Eizellen entnehmen und einfrieren.
Stuttgart (dpa) - Sie sind meist zwischen 35 und 39 Jahre alt, haben
keinen Partner oder wollen aus beruflichen Gründen gerade kein Kind
haben - sich aber die Chance auf eine spätere Mutterschaft offen
halten. Immer mehr Frauen in Deutschland nutzen das sogenannte
«Social Freezing» und lassen sich Eizellen entnehmen, um diese
einzufrieren. «Die Zahlen steigen sprunghaft an», sagt der
Koordinator des wissenschaftlichen Netzwerkes Fertiprotekt, Michael
von Wolff. Demnach griffen im Jahr 2013 in Deutschland 134 Frauen auf
das Angebot zurück, während es im Jahr 2012 noch 22 gewesen waren.
Von Wolff geht insgesamt von rund 300 Behandlungen im Jahr 2013 aus.
Die Medizinethik beurteilt diese Entwicklung kritisch.
Im Oktober sorgte die Nachricht in Deutschland für Aufruhr, dass die
amerikanischen IT-Konzerne Facebook und Apple Mitarbeiterinnen bis zu
20 000 Dollar für das Einfrieren ihrer Eizellen zahlen wollen. Die
Frauen sollten dadurch ihre Karrierepläne unabhängig von der
biologischen Uhr verfolgen können. In Deutschland kritisierten
Arbeitnehmervertreter, Unternehmen und Politiker das Angebot der
Firmen. Es sei wichtiger, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu
fördern.
Ursprünglich wurde das medizinische Verfahren entwickelt, um
Krebspatientinnen nach einer Chemo- oder Strahlentherapie den
Kinderwunsch erfüllen zu können. Manche Frauen sind nach einer
solchen Behandlung unfruchtbar.
Seit einigen Jahren bieten nun auch in Deutschland
Universitätsklinken und Kinderwunschzentren «Social Freezing» an. Das
Hauptproblem scheint dabei jedoch das Alter der Patientinnen zu sein.
«Die Frauen kommen sehr spät», sagt die Leitende Oberärztin der
Kinderwunschsprechstunde an der Tübinger Frauenklinik, Melanie Henes.
Die meisten seien mindestens 35 Jahre alt. Dann lassen die Zahl und
Qualität der Eizellen bereits nach. Die Deutsche Gesellschaft für
Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) sagt, dass ab einem Alter von 38
Jahren nur noch jede dritte Eizelle das Auftauen übersteht. Eizellen
von 25-Jährigen seien dagegen zu fast 100 Prozent intakt.
Für den Präsidenten der DGGG und ärztlichen Direktor der Frauenklinik
Tübingen, Diethelm Wallwiener, ist zudem klar: «Wir machen einen ganz
neuen Problembereich auf.» Ließen sich die Frauen erst so spät die
Eizellen entnehmen, gebe es künftig noch mehr ältere Mütter. Zwar
gilt: Je jünger die Eizellen, desto höher die Wahrscheinlichkeit,
schwanger zu werden, und desto geringer die Gefahr von Behinderungen
des Kindes sowie Schwangerschaftsabbrüchen. Aber je älter die Frau
ist, desto größer ist auch die Gefahr beispielsweise
Schwangerschafts-Bluthochdruck und Diabetes zu bekommen.
Bei der Entnahme der Eizellen seien die Risiken für die Frau
allerdings «extrem niedrig», wie Oberärztin Henes sagt. In
Einzelfällen könne es beispielsweise zu Blutungen in der Vagina
kommen. Abgesehen vom Einfrieren und Auftauen der Eizellen entspricht
das Verfahren einer künstlichen Befruchtung.
Die Medizinethikerin Claudia Bozzaro beurteilt «Social Freezing»
kritisch. Zum einen reagiere die Medizintechnik damit vor allem auf
die Strukturen der modernen Arbeitswelt, auf die Schwierigkeit,
Familie und Beruf zu vereinen. Zum anderen sei es auch aus
psychologischer Sicht problematisch: «Frauen und Männer tun sich
heute viel schwerer, endgültige Entscheidungen zu treffen.» Viele
hätten Probleme, sich auf einen Partner festzulegen. «Der
Kinderwunsch ist eine Option unter Tausenden geworden.» Social
Freezing sei letztlich nur eine Fortsetzung dieses gesellschaftlichen
Phänomens.
Für Diethelm Wallwiener, der auch Präsident der DGGG ist, ist das
Social Freezing dagegen «nach Einführung der Pille die nächste Stufe
der Emanzipation der Frau».
Wie Oberärztin Henes sagt, kommen die meisten Frauen allerdings nicht
aus Gründen der Karriereplanung zu ihr, sondern weil ihnen schlicht
der Partner fehlt. Es seien Lehrerinnen, Anwältinnen, Ärztinnen. Dass
es sich in der Regel um Akademikerinnen handelt, mag auch am Preis
von meist mehr als 5000 Euro liegen.
Wie viele der Frauen letztlich wieder auf ihre Eizellen zurückgreifen
werden, wird sich zeigen. In einer spanischen Studie war es innerhalb
von fünf Jahren nur jede 25. Frau. Offen blieb jedoch, ob die anderen
Frauen noch weiter warten wollten, ihren Kinderwunsch letztlich
begraben hatten - oder auf natürlichem Wege schwanger geworden waren.
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