Fließband-Sterilisationen: Gefährlicher Kampf gegen Bevölkerungsboom Von Doreen Fiedler, dpa

Nicht in China werden weltweit am meisten Frauen sterilisiert,
sondern in Indien. Menschenrechtler kritisieren dabei die Methoden:
gegen Geld, schmutzig, ohne echte Alternativen. Und manchmal sogar
tödlich.

Neu Delhi (dpa) - Immer wieder setzt der Arzt im Krankenhaus Nemi
Chand in Indien an diesem Tag das Skalpell am Bauchnabel an. Er
durchtrennt die Eileiter und bindet sie ab. Die Operation dauert nur
wenige Minuten, dann eilt er zur nächsten Patientin. 83 Frauen wurden
laut indischen Medien so in nur fünf Stunden unfruchtbar gemacht. Das
ist so üblich: Die Behörden organisieren jedes Jahr in jedem Distrikt

des Bundesstaates Chhattisghar zwei bis drei «Familienplanungscamps».

Doch etwas lief diesmal schief. «Die Frauen gingen nach Hause, sie
wurden krank und mussten wieder ins Krankenhaus», klagt einer der
Angehörigen. Fernsehbilder zeigen, wie sich Frauen unter Schmerzen
winden, während sie, an Infusionen hängend, hineingerollt werden.
Mindestens acht Frauen sterben zwei Tage nach der Sterilisation. 17
weitere Operierte waren am Dienstag noch in einem kritischen Zustand.

Die Angehörigen sprechen von Pfusch: Das Hospital sei seit Jahren im
Rohbau, es gebe dort kaum technische Hilfsmittel und auf den
Tabletten stand kein Verfallsdatum. «Viele dieser Camps werden in
dreckigen Räumen abgehalten», klagt auch Kerry McBroom. Sie ist
Direktorin der Abteilung für Reproduktionsrechte im Human Rights Law
Network in Neu Delhi, das Menschenrechtler bei einem
Gerichtsverfahren gegen diese Sterilisations-Camps unterstützt.

«Direkt nach der Operation werden die Frauen normalerweise einfach
auf den Boden gelegt», sagt McBroom. Manchmal gebe es weder
fließendes Wasser noch Strom. «Bei einem der Camps in Bihar operierte
ein Arzt 60 Frauen in einer Nacht. Viele bluteten nach der Operation
stark. Eine Frau war schwanger, was sie nicht wusste, und sie wurde
vor der Sterilisation auch nicht getestet. Zehn Tage nach der
Operation hatte sie eine Missgeburt.»

Indiens Bevölkerung wächst und wächst. Schon jetzt sind es 1,25
Milliarden Menschen; und laut UN-Berechnungen wird Indien in etwa 15
Jahren China als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen. Das
Rote Riesenreich dämmt die Zahl der Menschen mit der - nun etwas
gelockerten - Ein-Kind-Politik ein. In Indien verhütet nur etwa die
Hälfte der Menschen überhaupt.

Da Gesundheit die Sache der Länder ist, versucht jeder Bundesstaat
auf seine Weise, das Bevölkerungswachstum einzudämmen. Am
beliebtesten dabei: das Durchtrennen der Eileiter. Nach Recherchen
der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch werden etwa die
Mitarbeiter in Gujarat gezwungen, jährlich eine bestimmte Zahl von
sterilisierten Frauen in ihrer Region vorzuweisen, sonst drohen ihnen
Gehaltskürzungen. Andere versprechen den Frauen Geschenke für die
Unfruchtbarkeit, etwa Autos, Goldmünzen und Lotterie-Preise.

Oft bekommen die Frauen in den Camps, die zumeist in sehr ländlichen,
armen Regionen leben, auch einfach Bargeld. In Chhattisgarh, wo nun
acht Frauen starben, waren es nach offiziellen Angaben 1400 Rupien,
das sind nicht einmal 20 Euro. «Die Vermittler bekommen 200 Rupien
pro Frau, die sie zu den Camps bringen», sagt ein Mitarbeiter der
Gesundheitsbehörde, der nicht genannt werden wollte. Auch die Ärzte
erhalten normalerweise eine Prämie pro Eingriff.

«Seit den 70ern hat Indien offiziell keine Zielvereinbarungen für
Sterilisationen mehr», sagt Meenakshi Ganguly von Human Rights Watch.
«Doch warum gibt es dann diese Camps?», fragt sie. Frauen sollten das
Recht auf Sterilisation haben - aber nur nach ausführlicher Beratung
über die Risiken, Alternativen für die Verhütung, ärztliche
Begleitung, Tests vor der Operation und Nachsorge. «Die Frauen
sollten eine wirkliche Wahl haben.»

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