Richter stärken kirchliche Arbeitgeber mit Kopftuch-Urteil Von Julia Kilian, dpa

Dürfen kirchliche Einrichtungen ihren Mitarbeiterinnen das Tragen
eines muslimischen Kopftuchs verbieten? Prinzipiell ja, sagt das
Bundesarbeitsgericht in einem ersten Urteil. Trotzdem gibt es für die
Klägerin noch Grund zur Hoffnung.

Erfurt (dpa) - Der Richterspruch dürfte viele interessieren:
Deutschlands höchstes Arbeitsgericht hat entschieden, dass kirchliche
Arbeitgeber das muslimische Kopftuch im Dienst verbieten dürfen. Die
Erfurter Richter hatten zwar schon früher ähnliche Streitfälle
verhandelt - aber noch nie für kirchliche Einrichtungen. Die
wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Fall:

Was haben die Erfurter Richter klargemacht?

Der Fünfte Senat wertete das Kopftuch als Symbol des islamischen
Glaubens und damit als Zeichen dafür, dass die Trägerin nicht der
christlichen Religion angehört. Kirchliche Einrichtungen dürften von
ihren Mitarbeitern aber mindestens Neutralität verlangen - und
deswegen in der Regel auch das Tragen eines Kopftuchs verbieten,
entschieden die Richter (Az.: 5 AZR 611/12).

Wie wichtig ist die Entscheidung?

Das Urteil betrifft alle muslimischen Mitarbeiterinnen in kirchlichen
Einrichtungen. Allerdings sprechen die Richter davon, dass dort
«regelmäßig» das Kopftuch verboten werden kann. Das heißt auch: I
m
Einzelfall könnte ein Urteil je nach konkreter Tätigkeit anders
ausfallen - etwa wenn jemand im Labor arbeitet und wenig Kontakt mit
Außenstehenden hat, wie eine Gerichtssprecherin erklärte.

Warum dürfen Kirchen mehr verlangen als andere Arbeitgeber?

Die Kirchen haben einen Sonderstatus im Arbeitsrecht. Das
Bundesverfassungsgericht hat ihnen 1985 das Recht zugebilligt,
Arbeitsverhältnisse nach ihrem Selbstverständnis zu regeln. Auf
dieses Selbststimmungsrecht gehen auch gewisse Loyalitätspflichten
für Arbeitnehmer zurück. Sie können etwa bei Kirchenaustritt ihren
Job verlieren. Das Bundesarbeitsgericht stellte auch jetzt das
Selbstbestimmungsrecht der Kirchen über die Religionsfreiheit der
Beschäftigten.

Worum ging es in dem konkreten Fall?

Geklagt hatte eine 36-jährige Muslimin aus Bochum, die viele Jahre an
einem evangelischen Krankenhaus arbeitete. Dort habe sie sich viel
mit dem Leiden der Patienten und dem Tod beschäftigt, sagte ihr
Anwalt Abdullah Emili. «Sie ist praktisch durch den Job religiöser
geworden.» Nach einer längerer Pause wegen Elternzeit und
Krankschreibung wollte die Frau 2010 mit einem Kopftuch zum Dienst
zurückkehren. Die Klinik lehnte das ab, kündigte ihr aber nicht. Die
Frau kam nicht mehr zur Arbeit - und forderte den ausstehenden Lohn.

Wie argumentieren die beiden Parteien?

Die Krankenschwester pocht auf ihre Glaubensfreiheit. Sie habe sich
mit dem Kopftuch vor den Blicken fremder Männer schützen wollen. «Es

sollte die weiblichen Reize bedecken», sagte sie in der Verhandlung.
Die Klinik hingegen ist der Auffassung, dass sie aufgrund ihrer
konfessionellen Ausrichtung der Frau das Kopftuch untersagen konnte.
Sie verlangt von ihren nicht-christlichen Mitarbeitern Neutralität.
«Wir erwarten nicht, dass sie sich offen zum christlichen Glauben
bekennen», sagte der Anwalt der Klinik, Sascha Leese.

Hat die Frau nun vor Gericht verloren?

Nein, das Bundesarbeitsgericht hat den Fall zurück zum
Landesarbeitsgericht in Hamm geschickt. Für den Fünften Senat war
nicht klar, ob die Frau überhaupt wieder arbeitsfähig war. Außerdem
wollen die Richter geklärt wissen, ob die Bochumer Klinik wirklich
der evangelischen Kirche zuzuordnen ist. Das Krankenhaus bezeichnet
sich als evangelisch und wird von einer gemeinnützigen GmbH getragen.
Jetzt müsse gezeigt werden, dass die Kirche ausreichend Einfluss auf
die Arbeit dort habe, sagte die Gerichtssprecherin.

Was sagt ein Arbeitsrechtsexperte dazu?

Der Jurist Gregor Thüsing von der Universität Bonn hatte von Anfang
an dem Krankenhaus die besseren Chancen eingeräumt. Kirchliche
Einrichtungen hätten das Recht, die christliche Ethik nach außen zu
vertreten, sagte er. Das Bundesarbeitsgericht habe keine expliziten
Ausnahmen genannt, wann ein Kopftuch getragen werden könne. Das zeige
aus seiner Sicht, dass die Ausnahmen nicht allzu weit gefasst seien.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite