Drittklässler-Gesundheit wird in Kasseler Modellversuch untersucht Von Timo Lindemann, dpa
Wenn Kinder jahrelang keinen Arzt sehen, fallen manche
Gesundheitsprobleme erst spät auf. Ein Pilotprojekt testet jetzt, ob
mit Schuluntersuchungen mehr Kinder erreicht werden können. Der
Startschuss für den Modellversuch fällt auch in Kassel.
Kassel (dpa/lhe) - Rund 600 Drittklässler in Nordhessen bekommen bald
Besuch vom Amtsarzt. Kassel ist eine von bundesweit drei Regionen,
die in einem Modellversuch des Bundesgesundheitsministeriums eine
Untersuchung an ausgewählten Grundschulen einführen. Ziel sei es, bis
zu den Osterferien 2015 etwa ein Drittel, also rund 600 der
Drittklässler, zu untersuchen. Bei Elternabenden sollen die Eltern
vorab informiert werden, sagte Regine Bresler, die Leiterin des
Schulärztlichen Dienstes in Kassel. Die Teilnahme sei freiwillig,
betonte sie. Gemacht werden unter anderem ein Seh- und ein Hörtest,
untersucht werden Herz, Zähne oder Entwicklung der Wirbelsäule. Auch
Größe und Gewicht werden gemessen sowie Motorik, Koordination,
Sprache und Verhalten bewertet.
Der Arzt vom Gesundheitsamt, der direkt in die Schule kommt, soll
frühzeitig Krankheiten oder gesundheitsschädliche Entwicklungen
erkennen, etwa Übergewicht, Haltungsfehler oder psychische Probleme.
«Wir wollen mehr wissen über die Gesundheit der Kinder in der Schule,
um bessere Angebote machen zu können», sagt Birgit Babitsch,
Professorin für New Public Health an der Universität Osnabrück, die
das Projekt wissenschaftlich auswertet.
«Mit dem Ansatz, in die Schulen zu gehen, haben wir die Chance, alle
Kinder zu erreichen», sagt Babitsch. Anschließend bekomme jedes Kind
eine individuelle Rückmeldung.
Mit dem Projekt sollen die Schulen außerdem besser in die
Gesundheitsförderung einbezogen werden. Dafür werden die Ergebnisse
anonymisiert ausgewertet. Die Schulen sollen so erfahren, mit welchen
gesundheitlichen Problemen ihre Schüler zu kämpfen haben, um
gezielter Lösungen zu finden. Es geht also zum einen um individuelle
Verbesserungen für Schüler, zum anderen aber auch um Angebote für
Klassen und ganze Schulen. «Das hat langfristige Effekte», sagt
Babitsch.
Doch wie könnten solche Maßnahmen aussehen? «Brillen sind oft ein
Thema, auch Motorik. Man könnte zum Beispiel Schlangenlinien auf den
Boden malen, auf denen die Schüler gehen, oder Ähnliches im
Sportunterricht einbauen» , berichtet Babitsch.
Michael Scholz, Direktor am Landesschulamt, betont, es gebe bereits
Landesprogramme, allerdings müssten dafür die Schulen auf das Land
zukommen. In Kassel seien für das neue Programm «GrundGesund» nun 15
Grundschulen ausgewählt worden, ein Querschnitt der Schullandschaft.
Nach Angaben der Abteilungsleiterin des Gesundheitsamtes Kassel,
Gabriele Oefner, bietet das Projekt die Chance, nach der
Schuleingangsuntersuchung «zu gucken, was aus den Kindern geworden
ist». Denn nicht jedes Kind sei über die Eltern optimal
gesundheitlich versorgt, beispielsweise bei Vorsorgeuntersuchungen.
Laut Robert-Koch-Institut lassen insbesondere Familien mit
Migrationshintergrund oder sozial schwache Eltern ihre Kinder
seltener untersuchen.
Die Lehrergewerkschaft GEW warnte allerdings vor weiteren
Zusatzaufgaben für Lehrkräfte. «Es ist ein Problem, wenn Eltern
Schwierigkeiten haben mit ihrem Erziehungsauftrag. Die Schule muss
schon eine Menge auffangen», sagte GEW-Geschäftsführer Ulrich Märti
n.
Weitere Testläufe gibt es auch in Recklinghausen und Flensburg.
Flächendeckende Arztbesuche an Grundschulen haben bereits Sachsen,
Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern eingeführt - mit
dem Ergebnis, dass es hohe Teilnehmerraten geben würde, wie es in der
Machbarkeitsstudie des Projekts heißt.
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