«Mach's gut, Junge»: Astronaut Gerst startet ins All Von Wolfgang Jung, dpa
Als dritter Deutscher soll Alexander Gerst ein halbes Jahr auf der
Internationalen Raumstation ISS arbeiten. Die Kooperation im Kosmos
versteht der 38-Jährige auch als politisches Statement.
Baikonur (dpa) - Mit einem lodernden Feuerschweif verschwindet die
Rakete mit Alexander Gerst im wolkenlosen Himmel über dem
Weltraumbahnhof Baikonur. Monate anstrengender Vorbereitung sind
vorbei - nun geht es endlich los für Deutschlands elften Raumfahrer.
Klar, vor dem langersehnten Start sind noch die obligatorischen
Rituale zu erfüllen: Eine Unterschrift auf der Tür im Hotel
«Kosmonaut» hinterlassen. Und gegen die Reifen eines Busses pinkeln -
weil Juri Gagarin, 1961 der erste Mensch im All, das damals so getan
hat. Dann sitzt er in der engen Kapsel, die Triebwerke zünden, die
letzten Sekunden laufen. «Take off!» - Start. Ein knappes halbes Jahr
wird Gerst auf der Internationalen Raumstation ISS verbringen.
Rückblick: Sein letzter öffentlicher Auftritt vor dem großen Flug ins
All ist fast vorbei - doch der 38-Jährige aus Künzelsau
(Baden-Württemberg) will noch eine Sache klarstellen. Die schwere
internationale Krise wegen des Ukraine-Konflikts gehe nicht völlig am
dreiköpfigen Team aus Deutschland, Russland und den USA vorbei,
betont Gerst bei der Pressekonferenz in der kasachischen Stadt
Baikonur. «Aber unsere Familien haben die Wochenenden gemeinsam auf
der Datscha verbracht, und wir sind Freunde geworden», sagt der
38-Jährige. «Wir fliegen als Mannschaft in den Weltraum, nicht als
Vertreter einzelner Staaten.»
Gerührt verfolgen Großmutter und Vater Hans-Dieter Gerst in der
ersten Reihe den humanistischen Appell des Astronauten. Da sie seit
Tagen aus Gesundheitsgründen von der Öffentlichkeit abgeschirmt ist,
sitzt die Crew hinter einer großen Glasscheibe. Doch vor dem Start am
späten Mittwochabend dürfen Vater und Sohn noch einmal miteinander
sprechen. «Mach's gut, Junge, und komm heil und gesund zurück», habe
er gesagt, erzählt Hans-Dieter Gerst in Baikonur der
Nachrichtenagentur dpa. Eine Umarmung war nicht erlaubt.
«Besucher der Astronauten müssen einen Meter Abstand halten, um jede
Ansteckung zu vermeiden», betont Raimund Lentzen vom Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Allein schon der Startort
Baikonur hält massive Belastungen für den menschlichen Organismus
bereit. Brütende Hitze von mehr als 30 Grad liegt an diesem Maitag
über der staubtrockenen Steppe. Schatten spenden auf dem
Weltraumbahnhof nur die Abschussrampen, die wie Bohrtürme in den
Himmel ragen. Kamele liegen dösend zwischen braunen Grasbüscheln.
Putz bröckelt von den Mietskasernen, der Straßenasphalt zeigt breite
Risse. Gut 50 Jahre nach dem Bau leidet das Areal unter erheblichen
Alterserscheinungen. Die 115 Millionen US-Dollar (84,4 Millionen
Euro) Pacht, die Russland jährlich für seine Starts an die
kasachische Führung zahlt, reichen längst nicht für den Unterhalt des
größten Kosmodroms der Welt. Frühere Pläne, das riesige Areal nach
dem Vorbild der US-Weltraumbahnhöfe für Touristen zu erschließen,
scheiterten auch an Sicherheitsfragen. Noch immer wird Baikonur
militärisch genutzt.
«Unsere Steppe ist für Raketenstarts ideal, denn angesichts dieser
tristen Landschaft fällt den Raumfahrern der Abschied von der Erde
leicht», sagt Ingenieur Nurlan Otarbajew und lacht. Vorsichtig legt
er Geldstücke auf die Schienen, auf denen gleich eine Diesellok die
weiße Sojus-Rakete für Gerst und seine Kollegen Maxim Surajew und
Reid Wiseman zur Startrampe zieht. Als der 40 Tonnen schwere Zug
vorbeigerollt ist, nimmt Otarbajew die platt gewalzten Münzen von den
Gleisen. «Die schenke ich meinen Kindern. Bringt Glück», sagt der
43-Jährige und zeigt beim Grinsen ein paar Goldzähne.
An der Startrampe verfolgt Hans-Dieter Gerst gespannt das Auftanken
der Sojus. Sein ältester Sohn habe schon immer eine Leidenschaft für
ungewöhnliche Fahrzeuge gehabt, sagt der 59-Jährige. «Als Kind ist er
in Seifenkisten herumgerast», erzählt der Schlossermeister aus
Baden-Württemberg und lächelt wie bei einer schönen Erinnerung.
Für Ulf Merbold, der als einziger Deutscher dreimal im All war, ist
Alexander Gerst die richtige Wahl für den Flug. «Er ist in hohem Maße
ein Mannschaftsspieler, das ist wichtig, denn die bemannte Raumfahrt
funktioniert nur im Team», meint der 72-Jährige. Merbold ist zum
Start nach Baikonur gereist und ahnt, was Gerst in den letzten
Stunden vor dem Abheben im Kopf herumgangen sein könnte. «Du denkst
ständig: Hätte ich das doch bloß besser trainiert und jenes noch
einmal diskutiert», sagt er. «Aber dafür ist es dann zu spät.»
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