Absichtliche Fehldiagnosen? Skandalarzt erwartet Urteil Von Annette Birschel, dpa

Es ist der wohl größte medizinische Strafprozess der Niederlande. Der
Skandalarzt Ernst Jansen soll jahrelang absichtlich falsche Diagnosen
gestellt haben. Jetzt erwartet ihn das Urteil.

Almelo (dpa) - Diagnose Alzheimer. Es ist die Angst vieler
Menschen. Dann stellt sich Jahre später heraus, dass die Diagnose
falsch war. Eine Erlösung. Doch das psychische Leid und die
körperlichen Schäden durch falsche Behandlungen sind kaum
wiedergutzumachen. Das ist das Schicksal von mehr als 200
Niederländern. Bei ihnen hatte der Neurologe Ernst Jansen unheilbare
Krankheiten wie Alzheimer oder Multiple Sklerose festgestellt. Das
Strafgericht in Almelo wird am Dienstag (11. Februar) entscheiden, ob
er dafür ins Gefängnis muss.

Sechs Jahre Haft ohne Bewährung fordert die Staatsanwaltschaft für
den Neurologen, der jahrelang auch an deutschen Kliniken, darunter in
Heilbronn gearbeitet hatte. In dem wohl größten medizinischen
Strafprozess der Niederlande will die Anklage am Beispiel von neun
Patienten beweisen, dass Jansen im Krankenhaus in Enschede seit den
1990er Jahren bis 2003 absichtlich falsche Diagnosen gestellt hatte.
Eine Frau hatte danach Selbstmord begangen.

Jansen habe den Patienten großes psychisches und körperliches Leid
zugefügt, sagte die Staatsanwältin Marjolein van Eykelen.
«Untersuchungsergebnisse, die seiner Diagnose widersprachen,
ignorierte er», erklärte sie. Testergebnisse habe er sich ausgedacht.

Die Forderung der Anklage ist höher, als die Opfer gehofft hatten.
Manche waren im Gerichtssaal in Tränen ausgebrochen. Doch ob das
Gericht tatsächlich eine so hohe Strafe verhängen wird, ist fraglich.
Bei den Vorwürfen Diebstahl, Urkundenfälschung und Veruntreuung
scheint es eindeutig zu sein. Diese hatte Jansen gestanden. Doch eine
Fehldiagnose sei keine Straftat, argumentierte die Verteidigung und
plädierte auf Freispruch.

«Falsche Diagnosen gehören nun einmal zum Beruf des Arztes», hatte

der Angeklagte selbst in seinem Schlusswort gesagt. Er sei das Opfer
einer «Hexenjagd» geworden, klagte der 68-Jährige, der im Prozess
eitel und redegewandt auftrat. «Man hat mich in den Medien sogar Dr.
Frankenstein genannt.»

Vor dem Gericht gab er sich reumütig: «Meine früheren Patienten
haben am meisten gelitten», sagte Jansen. «Ich fühle mehr mit ihnen,

als ich sagen kann.» Hinter ihm im Saal saßen ehemalige Patienten,
einige im Rollstuhl.

So sei es auch im Sprechzimmer gewesen, erinnerten sich
Ex-Patienten. Er war ein charismatischer einfühlsamer Doktor, der
keinen weißen Kittel trug, sondern gerne, wie auch vor Gericht, wie
ein Dandy in senfgelbem Sakko und Wildlederweste auftrat. Tag und
Nacht sei er für seine Patienten zu sprechen gewesen, wie ein «Gott
in Weiß» habe er sich dargestellt.

Die Opfer erhofften sich eine Antwort auf die Frage: Warum? Die
blieb ihr früherer Arzt ihnen schuldig. Auf das tiefe Bedauern folgte
stets ein «Aber». Er sei nicht Täter, sondern Opfer gewesen, sagte
Jansen. Seine Medikamentensucht habe sein Urteilsvermögen
eingeschränkt. Grund sei ein Autounfall 1990. Krankhafte
«narzisstische» Züge, hatten Gutachter bei ihm festgestellt. Als
Grund dafür verwies Jansen auf ein Kriegstrauma in seiner Familie.

Ein erstes Urteil wurde bereits gefällt: Jansen darf nie wieder
als Arzt arbeiten, hatte das Disziplinargericht im Dezember
festgestellt. Doch dagegen legte er bereits Berufung ein.

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