Wie viel Profit darf sein? - Klinikfinanzierung beschäftigt Gerichte Von Marc Herwig, dpa

Es geht um einen Milliardenmarkt und um eine Grundsatzfrage: Wie
profitorientiert darf die deutsche Krankenhauslandschaft sein? Das
Landgericht Tübingen hat mit einem Urteil einen ersten Fingerzeig
gegeben.

Tübingen/Calw (dpa) - Es war ein Prozess mit Sprengkraft für die
Krankenhaus-Landschaft in Deutschland. Private Klinikbetreiber
versuchten vor Gericht, ihren kommunalen Konkurrenten eine
milliardenschwere Finanzquelle trockenzulegen. Hätten sie Erfolg
gehabt, wären womöglich Hunderte kommunale Krankenhäuser in
finanzielle Nöte gekommen. Doch im ersten Anlauf sind die Privaten
gescheitert. Das Landgericht Tübingen hatte an der bundesweit
üblichen Praxis, dass der Staat seinen Kliniken mit Subventionen
unter die Arme greift, in einem am Montag veröffentlichten Urteil
nichts auszusetzen. Endgültig entschieden ist der Streit damit aber
wohl noch lange nicht. (Az. 5 O 72/13)

Auf so viel überregionale Aufmerksamkeit hätte der Kreis Calw
gerne verzichtet. Doch nachdem der Bundesverband Deutscher
Privatkliniken (BDPK) ausgerechnet den kleinen Landkreis am Rande des
Schwarzwalds als Gegner für den Musterprozess um die deutsche
Klinikfinanzierung ausgewählt hat, ist Landrat Helmut Riegger (CDU)
zu einem Vorkämpfer für Hunderte kommunale Krankenhäuser in
Deutschland geworden.

An Calw könnte sich nun entscheiden, wie sich die
Krankenhauslandschaft in Deutschland in einigen Jahren entwickelt. Es
geht um eine Systemfrage: Bleiben die Kliniken mehrheitlich in der
Hand des Staats oder übernehmen profitorientierte Konzerne das Zepter
auf diesem Markt?

Seit Jahren schon steigt die Zahl der von privaten Unternehmen
betriebenen Kliniken. Doch die Privaten fühlen sich bei ihrem
Expansionskurs benachteiligt: Denn während jede zweite bis dritte
öffentliche Klinik regelmäßig Zuschüsse aus Steuermitteln bekommt,

müssen die privaten Betreiber ohne solche Finanzspritzen auskommen.
Für den BDPK ist das ein Verstoß gegen das EU-Wettbewerbsrecht.

Deshalb zog der Verband mit einer Musterklage gegen den Kreis Calw
vor Gericht. Es gehe um Gerechtigkeit und Chancengleichheit,
argumentieren die Privatkliniken. Doch der Interessenverband
kommunaler Krankenhäuser (IVKK) ist überzeugt, dass es den Privaten
nur um Umsatz und Profit gehe. Die Klage sei ein Versuch, das
Gesundheitswesen immer stärker zu kommerzialisieren, wetterte
Verbandschef Bernhard Ziegler. Für ihn sind die Finanzspritzen für
die öffentlichen Kliniken unerlässlich, damit die Bürger auch in dü
nn
besiedelten Regionen wie in Calw eine Klinik in der Nähe haben.

Vor Gericht spielten solche gesundheitspolitischen Grundsatzfragen
keine Rolle. Für die Richter ging es allein um die juristische Frage,
ob Krankenhäuser ganz normale Wirtschaftsbetriebe sind oder nicht.
Nach Überzeugung der Richter sind sie das nicht. Kliniken seien
vielmehr ein Teil der staatlichen Daseinsvorsorge - deshalb müsse der
Staat sie auch nicht den Kräften des freien Marktes überlassen.
Landrat Riegger war zufrieden. «Das ist ein Erfolg für die kommunalen
Krankenhäuser in Deutschland», sagte er nach der Urteilsverkündung.

Entschieden ist der für die Krankenhausversorgung wegweisende
Prozess damit aber wohl noch lange nicht. Es gilt als sicher, dass
der Fall wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung durch die Instanzen
geht und erst am Bundesgerichtshof rechtskräftig entschieden wird.

So oder so wünschen sich die kommunalen Kliniken eigentlich, dass
über die Zukunft des Krankenhauswesens in Deutschland nicht in einem
Gerichtssaal, sondern durch die Politik entschieden wird. Seit Jahren
kurierten Bund und Länder nur an den Symptomen der finanziell
notleidenden Kliniken herum, kritisierte IVKK-Chef Ziegler. Die
Politik müsse die Position der öffentlichen Krankenhäuser gegen
Eingriffe der EU-Wettbewerbshüter sichern. Sollte die Politik dazu
nicht in der Lage sein, bleibe nur ein weiterer Prozess - diesmal vor
dem Verfassungsgericht in Karlsruhe.

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