Die DKMS: Vom Familienprojekt zum mächtigen Gesundheitskonzern Von Marc Herwig, dpa

Es begann als Hilfsaktion für ein krankes Familienmitglied - und
wurde zur weltgrößten Hilfsorganisation für Blutkrebs-Patienten. Die

DKMS hat Tausenden Patienten Hoffnung auf ein neues Leben geschenkt.
Doch jetzt scheinen die alten Familienbande zu reißen.

Tübingen (dpa) - Ein Familienschicksal hat sie zusammengeschweißt:
Der Tod von Mechtild Harf. An ihrem Krankenbett hatten Schwägerin
Claudia Rutt und Ehemann Peter Harf nach eigenen Angaben versprochen,
den Kampf gegen den Blutkrebs aufzunehmen. Sie haben Wort gehalten:
Millionen Deutsche hat die damals gegründete Deutsche
Knochenmarkspenderdatei (DKMS) davon überzeugt, einem
Blutkrebs-Patienten mit einer Stammzellspende die Chance auf ein
neues Leben zu schenken.

Doch jetzt ist ein tiefer Graben zwischen Harf und Rutt
entstanden. Der 67-Jährige will ohne seine Schwägerin weitermachen,
doch die will sich den Rausschmiss aus ihrem Lebenswerk nicht ohne
weiteres gefallen lassen. Wegbegleiter fürchten, dass am Ende der Ruf
der gesamten DKMS leiden könnte.

Es war 1990 während eines gemeinsamen Urlaubs der Familien Harf
und Rutt, als Mechtild Harf die Diagnose Blutkrebs bekam. Nur ein
passender Knochenmarkspender konnte ihr Leben retten - doch damals
waren gerade einmal 3000 Menschen in Deutschland als potenzielle
Spender registriert. Viel zu wenige angesichts der zigtausend
Gewebemerkmale, die bei Spender und Empfänger genau passen müssen.

Also machten sich Claudia Rutt und Peter Harf gemeinsam mit
weiteren Familienmitgliedern und Freunden an eine Sisyphusarbeit. Sie
riefen Menschen dazu auf, sich registrieren und ihre Gewebemerkmale
testen zu lassen - so begann die Arbeit der DKMS. Für Mechtild kam
die Hilfe am Ende zu spät, sie starb am 16. September 1991. Doch die
DKMS hatte längst einen rasanten Wachstumskurs begonnen, der bis
heute anhält. 3,8 Millionen Menschen sind bei der in Tübingen
ansässigen Gesellschaft als Stammzellspender registriert. Für 80
Prozent aller Leukämiepatienten findet sich heute ein passender
Spender, viele tausend Leben wurden so schon gerettet.

Aus der DKMS wurde zugleich ein mächtiger Player im
Gesundheitswesen. Inzwischen verfügt die Organisation über rund 400
Mitarbeiter und ein Jahresbudget von mehr als 80 Millionen Euro. Das
führte zu Problemen. Auch Claudia Rutt war nicht immer unumstritten.
Weil sie den Wachstumskurs der DKMS all die Jahre in vorderster Reihe
vorangetrieben hatte, liefen alle Fäden allein bei ihr zusammen.
Diese Machtballung führte 2010 schon einmal zu einem Zerwürfnis in
der DKMS-Chefetage, wie Rutt selbst in ihrem erst vor wenigen Tagen
veröffentlichten Buch «Alle gegen einen» (Murmann-Verlag) schrieb.
Letztlich habe das zu einer so heftigen «Misstrauenskrise» im
Verwaltungsrat geführt, dass sie ihren Hut nahm, schrieb Rutt.

2012 kehrte sie dann allerdings zurück. Und mit ihr übernahm auch
ihr Schwager Peter Harf wieder mehr Verantwortung für die DKMS. Harf,
den die «Financial Times Deutschland» einmal als «Deutschlands
heimlichsten Milliardenmanager» bezeichnet hat, verwaltet als Manager
seit Jahrzehnten das Firmengeflecht der Milliardärsfamilie Reimann,
zu dem Dutzende große Parfüm-, Kosmetik- und Reinigungsmarken
gehören. Interviews gibt er höchst selten.

Harf sei es nun auch gewesen, der in seiner Funktion als
Aufsichtsratschef die Abberufung seiner Schwägerin Claudia Rutt
initiiert habe, sagte eine DKMS-Sprecherin. Der 67-Jährige, der sich
laut DKMS auf seine Aufgabe in dem DKMS-Kontrollgremium konzentrieren
und aus dem operativen Geschäft zurückziehen will, stand nicht für
ein Interview zur Verfügung. Seine Sprecherin sagte: «Er hat darüber

nachgedacht, mit welcher Generation von Geschäftsführern wir die DKMS
weltweit zum Erfolg führen.» Die 53-jährige Rutt habe in diesen
Zukunftsplänen für Harf keine Rolle mehr gespielt. Eine weitergehende
inhaltliche Begründung gab es auch auf Nachfrage nicht.

Gerhard Ehninger, der damals der Arzt von Mechtild Harf war und
ebenfalls zu den Mitbegründern der DKMS gehört, fürchtet, dass die
Datei Schaden nehmen könnte. An diesem Mittwoch will er den
medizinischen Beirat der DKMS zusammentrommeln. Der Gesprächsbedarf
sei groß, sagt er. Denn die Vorgänge bei der DKMS sorgten bei
Fachleuten weltweit für Verständnislosigkeit - und zu leiden hätten
am Ende die Blutkrebspatienten.

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