Wenn der Arzt das Vertrauen seiner Patienten ausnutzt Von Sandra Trauner, dpa

Bundesweit einmalig: In Hessen gibt es eine Beratungsstelle für
Missbrauchsfälle in der Medizin. Nach zwei Monaten zieht der
Ombudsmann eine erste Bilanz: «Es gibt großen Gesprächsbedarf.»

Frankfurt/Main (dpa) - Ein Frauenarzt filmt heimlich seine
Patientinnen, ein Therapeut begrapscht sie bei Entspannungsübungen -
Fälle wie diese sind spektakulär, aber selten. Missbrauch in der
Praxis oder der Klinik fängt allerdings viel früher an: etwa, wenn
ein Arzt eine Handwerkerleistung günstiger bekommt oder privat
Kontakt zu einer Patientin sucht. Zu klären, wo die Grenze verläuft,
ist eine der Aufgaben der Ombudsstelle für Fälle von Missbrauch in
ärztlichen Behandlungen der Landesärztekammer Hessen. Sie ist die
erste ihrer Art in Deutschland.

«Viele Patienten haben große Schwierigkeiten, mit Erfahrungen von
Missbrauch in einer Behandlung umzugehen», begründet die Kammer ihre
Initiative. «Oft werden solche Vorkommnisse verschwiegen.» Viele
betroffene Patienten glaubten, sofort Strafanzeige stellen zu müssen,
könnten sich aber nicht zu diesem Schritt entschließen. Die
Ombudsstelle bietet «eine vertrauliche Beratung mit einem neutralen
Gesprächspartner».

Etwa 25 Mal haben Patienten seit Mitte März Kontakt zum Ombudsmann
Meinhard Korte aufgenommen. «Ein klarer Missbrauch des
Arzt-Patienten-Verhältnisses lag nur in wenigen Fällen vor», sagt der

Hanauer Psychotherapeut und Allgemeinmediziner. Die meisten Patienten
beklagten sich, der Arzt sei nicht einfühlsam gewesen oder habe sie
menschlich schlecht behandelt. Einige berichteten von einem
tatsächlichen, aber länger zurückliegenden Missbrauch. Eine Mutter
bat um Rat, weil sie das Gefühl hatte, der Arzt ihrer behinderten
Tochter verhalte sich «irgendwie nicht korrekt».

Die Bilanz des Ombudsmannes nach zwei Monaten: «Es gibt großen
Gesprächsbedarf». Dass bislang keine strafrechtlich relevanten
Übergriffe darunter waren, bedeutet nicht, dass Korte wenig zu tun
hat - im Gegenteil. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, mit den
Patienten zu erörtern, ob es sich um einen Missbrauch oder eine
Grenzverletzung handelt oder nicht. Seine Definition: «Missbrauch
ist, wenn das Arzt-Patienten-Verhältnis ausgenutzt wird, um ein
persönliches Bedürfnis zu befriedigen. Die Trennlinie ist: Dient das
Handeln des Arztes der Behandlung oder widerspricht es diesem Ziel?»

Auch wenn es sehr selten vorkomme: Ein Patient könne die Beziehung
zum Arzt ebenso missbrauchen wie umgekehrt. Ein Psychotherapeut
berichtete Korte von einer Patientin, die ihn des Missbrauchs
bezichtigte, nachdem er ihren Wunsch nach einer privaten Beziehung
nicht erfüllt hatte. Sie zeigte ihn an und erzwang Verfahren durch
drei Instanzen, das mit einem endgültigen Freispruch endete.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und
Patienten, Wolfram-Arnim Candidus, findet die Ombudsstelle «eine gute
Initiative». Er äußerte aber auch den leisen Verdacht, dass sie eine

«Schaufensterveranstaltung» der Landesärztekammer sein könnte -
vielleicht sogar mit dem Hintergedanken, Patienten davon abzuhalten,
zur Polizei oder zum Anwalt zu gehen.

Absicht sei das nicht, sagt Korte, aber dennoch oft die Folge der
Beratungsgespräche: «Wenn Ratsuchende die Erfahrung machen, dass sie
und ihr Anliegen ernst genommen werden, können auch Alternativen zur
juristischen Aufarbeitung ins Blickfeld rücken.» Als Alternative zum
Rechtsweg bietet Korte auch an, einen Kontakt zu dem betroffenen Arzt
herzustellen, falls der Patient das möchte.

An sich seien Ombudsstellen eine gute Sache, sagte Candidus. Damit
sie Patienten wirklich helfen, müsse sie aber völlig unabhängig sein:

angesiedelt bei einer nicht-ärztlichen Stelle, nicht von einem Arzt
geleitet und aus Steuermitteln finanziert. Besser als Insellösungen
für Missbrauchsfälle oder Behandlungsfehler fände Candidus eine
Ombudsstelle «für alle Probleme in der medizinischen Versorgung»,
etwa auch, wenn man trotz akuter Beschwerden keinen Termin bekomme.

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