Aberglaube und Ärztemangel: Geburten bleiben in Ghana gefährlich Von Eszter Farkas, dpa
Ghana geht es wirtschaftlich besser. Doch Geburten können Frauen noch
immer in Lebensgefahr bringen. Im westafrikanischen Land fehlen nicht
nur Ärzte. Tradition und Aberglaube verhindern medizinische Hilfe.
Accra (dpa) - Als es Elizabeth Adase nach der Geburt ihres dritten
Kindes immer schlechter ging, sagte sie zu dem Neugeborenen: «Warte
auf mich. Ich komme zurück.» Adase hatte bei der Geburt so viel Blut
verloren, dass sie sich zu schwach zum Stillen fühlte. In einem
Krankenhaus in Ghanas Hauptstadt Accra wartete sie auf eine
Bluttransfusion - geschlagene sechs Stunden lang. Dabei hatte sie
noch Glück. Ihre Blutkonserve musste aus einem anderen Krankenhaus
beschafft werden. Und das klappte nur, weil die junge Mutter
Beziehungen hat.
Typisch Afrika? Nicht ganz. Ghana ist seit einigen Jahren
Ölproduzent und zählt laut Weltbank mittlerweile zu den Ländern mit
mittlerem Einkommen. Der Staat wird für seine stabile Demokratie
gelobt und prahlt damit, weltweit der drittgrößte Kakaoproduzent zu
sein. Und nach Südafrika auch schon der zweitgrößte Goldquelle
Afrikas. Doch das Gesundheitssystem hält mit der positiven
wirtschaftlichen Entwicklung einfach nicht Schritt.
Zu spüren bekommen das auch junge Frauen. Rund 350 von 100 000
Ghanaerinnen überleben eine Geburt nicht. Fast jede vierte stirbt an
starken Blutungen, heißt es in einer Studie zur Gesundheit von
Müttern aus dem Jahr 2009. Doch im Vergleich zu anderen
westafrikanischen Ländern steht Ghana nicht mal schlecht da: In
Afrikas bevölkerungsreichstem Land Nigeria sterben 840 von 100 000
Frauen bei einer Geburt, in Guinea-Bissau sogar 1000 von 100 000. Zum
Vergleich: In Deutschland sind es nur 5 von 100 000.
Frauen, die in Ghana auf dem Land leben, müssen oft Hunderte
Kilometer bis zum nächsten Krankenhaus fahren. Allein schon der
Mangel an Autos oder Bussen und der schlechte Zustand der Straßen
trage dazu bei, dass sie dort nicht rechtzeitig ankommen, sagt Dela
Gle von der «Alliance for Reproductive Health Rights», einem Bündnis,
das sich für den Anspruch auf medizinische Fürsorge einsetzt.
Analphabetismus, fehlende Bildung und Traditionen erschweren die
Lage zusätzlich. Eine schwangere Ghanaerin auf dem Land brauche für
einen Krankenhaus-Besuch die Erlaubnis ihres Ehemanns, berichtet Gle.
Solche Verzögerungen führten oft zu Komplikationen und Blutungen.
Aber auch Aberglaube hielte Frauen davon ab, während der
Schwangerschaft rechtzeitig zum Arzt zu gehen. «Manche glauben, dass
ihr Baby dort verhext werden kann», sagt Gle. Dazu komme die Angst
vor einer Fehlgeburt. Dennoch gibt es Fortschritte: Rund 87 Prozent
der Schwangeren lassen sich inzwischen vor der Geburt viermal
untersuchen, besagen offizielle Zahlen von 2011.
Ghana war eines der ersten afrikanischen Länder, in denen über
Familienplanung diskutiert wurde. Trotzdem verhütet nur jede vierte
Frau. Das Problem ist nicht nur die fehlende Aufklärung.
Verhütungsmittel sind knapp und für viele zu teuer. Die
zweithäufigste Todesursache bei Müttern ist daher eine Abtreibung.
«Viele 15- bis 20 Jahre alte Mädchen lassen es bei Quacksalbern
machen», sagt Mary Bour vom Hebammenverband in Ghana. Obwohl das
Abtreibungsrecht der Landes als vergleichsweise liberal gilt, wollen
viele Frauen die Schwangerschaft heimlich abbrechen. Sie fürchten,
von der Öffentlichkeit oder ihrer Familie verurteilt zu werden oder
sorgen sich um das Wohl der Kinder, die sie schon haben. Manche
wollen auch Arbeit oder Ausbildung nicht unterbrechen.
Manche jungen Frauen bekämen für eine Abtreibung den Rat, Kräuter
zu essen und sich Gegenstände in den Unterleib zu stecken, berichtet
Bour. Dadurch könnten Fehlgeburten eingeleitet werden - aber auch die
Gebärmutter reißen. Das kann lebensgefährlich sein.
Die panafrikanische Kampagne «MamaYe» will ins öffentliche
Bewusstsein rücken, dass der Tod im Kindbett vermeidbar ist. Auch
Fremde sollen dazu gebracht werden, schwangeren Frauen in
Notsituationen zu helfen - zum Beispiel, indem aus einer Schubkarre
ein notdürftiger Krankentransporter wird oder Taxifahrer Frauen mit
Wehen ins Krankenhaus bringen.
Doch auch das allein reicht nicht. In Ghana fehlt medizinisches
Personal. Das Land hat rund 25 Millionen Einwohner, aber nach einer
Zählung des Gesundheitsministerium aus dem Jahr 2009 nur 2033
praktizierende Ärzte. Auf einen Mediziner kommen so im Schnitt rund
12 000 Patienten. Besonders schlecht ist die Situation auf dem Land.
Denn fast die Hälfte der Ärzte arbeitet in den beiden großen Städte
n
Accra und Kumasi. «In den kleineren Krankenhäusern gibt es manchmal
nicht einmal einen Gynäkologen», sagt Bour.
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