Schuldenfallen Krankenkassen - Versicherte sollen geschützt werden Von Basil Wegener, dpa
Die Krankenkassen können zur Bedrohung werden. Viele Versicherte
schulden ihnen enorme Summen. Nun will die Koalition verhindern, dass
sich der Schuldenberg weiter schnell auftürmt.
Berlin (dpa) - Für Hunderttausende Versicherte wird die
Krankenkasse zur Schuldenfalle. Manche suchen schon nach zwei, drei
Monaten Hilfe - wenn sie mit einigen hundert Euro in der Kreide
stehen. «Manche verdrängen das Problem aber über Jahre, bevor sie
etwas unternehmen», sagt die Beraterin Dörte Elß von der
Verbraucherzentrale Berlin. Tausende Euros müssen die Betroffenen
dann zahlen - und können es nicht. Dass hier sozialpolitischer
Sprengstoff steckt, ist seit Jahren bekannt. Ein halbes Jahr vor der
Bundestagswahl will Schwarz-Gelb nun zumindest die anfallenden
horrenden Zinsen senken.
Beispielrechnungen des Bundesgesundheitsministeriums zeigen das
Ausmaß. In bestimmten Konstellationen müssen nach vier Jahren 12 988
Euro nachgezahlt werden - davon allein 6968 Euro Säumniszuschlag. In
anderen beläuft sich der Zuschlag auf 10 479 Euro bei 19 510
Beitragsschulden insgesamt. 60 Prozent pro Jahr betragen die Zinsen
bisher. Auf 12 Prozent - ein Prozent im Monat - sollen sie sinken.
Das Problem der Nichtzahler ist seit 2007 immer weiter gewachsen.
Damals führte die Große Koalition voller Stolz die Pflicht zur
Krankenversicherung ein. Es ist eine Erfolgsgeschichte: Seither sank
die Zahl der Nichtversicherten von 211 000 deutlich, nach den
jüngsten Zahlen waren es 2011 noch 137 000. Doch viele - vor allem
Kleinselbstständige und Existenzgründer - können nicht zahlen.
Hunderttausende säumige Zahler gibt es.
Das Geld ist oft kaum einzutreiben. Bei den Hauptzollämtern als
Inkassostelle der öffentlich-rechtlichen Einrichtungen stieg die Zahl
der Vollstreckungsfälle zuletzt auf rund 1,6 Millionen im Jahr. Nicht
gezahlte Beiträge eines einzelnen Versicherten können dabei immer
wieder als neue Fälle in die Statistik eingehen. Rückstände von
insgesamt rund 1,8 Milliarden Euro sind aufgelaufen.
Den Betroffenen verspricht die Koalition jetzt Hilfe. «Für die
dreht sich die Beitragsspirale immer schneller», sagt der
CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn. «Deshalb müssen wir das Gesetz
schnell ändern.» Die Krankenkassen begrüßen die Pläne verhalten.
Ihnen hilft es wenig, wenn sich die Schulden immer höher auftürmen.
Doch was bringt die geplante drastische Reduzierung des
Säumniszuschlags? «Man kriegt es mit den Kassen oft hin, die Zinsen
erlassen zu bekommen, wenn man einen entsprechenden Antrag stellt und
die Hauptforderung bezahlt hat, oder man kann Ratenzahlungen für die
eigentliche Beitragsschuld vereinbaren», sagt Elß. «Das eigentliche
Problem ist die Beitragsbemessung bei den Kleinselbstständigen.»
Mehr als 300 Euro muss ein gesetzlich versicherter Selbstständiger
im Monat in der Regel zahlen. Geringverdiener können beantragen, den
Beitrag auf rund 200 Euro zu senken, wobei das Einkommen von
Lebenspartnern berücksichtigt wird. Selbst wer fast nichts hat, muss
immer noch 130 Euro zahlen. Beraterin Elß fordert: «Der Beitrag
sollte sich generell am tatsächlichen Einkommen festmachen.» Der
Deutsche Gewerkschaftsbund sieht auch die Auftraggeber der vielen
neuen Selbstständigen gefordert, einen Teil der Beiträge zu
übernehmen.
Auch für Privatversicherte in der Schuldenfalle verspricht die
Koalition Abhilfe. 146 000 von ihnen zahlen laut dem Gesetzentwurf
nicht. Sie sollen nun in einen Notlagentarif wechseln, der nur rund
100 Euro kostet, aber sehr abgespeckte Leistungen bringt.
Altersrückstellungen sollen anders als sonst bei den Privatkassen
nicht aufgebaut werden. Harald Weinberg, Gesundheitsexperte der
Linken, warnt bereits vor einem neuen Gesundheitsprekariat. Den
Privatversicherern gehe es nur darum, dass für diese Menschen nichts
mehr für später angespart werden müsse.
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