(Wochenendzusammenfassung 1730 - neu: weitere Klinik in NRW) Klinik Heilbronn wirft niederländischen Skandalarzt raus Von Annette Birschel und Roland Böhm, dpa (Mit Bild)

Die Medien in Holland nennen ihn «Dr. Frankenstein» - in Heilbronn
konnte er seit Jahren unentdeckt praktizieren. Aufgeschreckt von
TV-Berichten hat die Klinik den Skandal-Mediziner vor die Tür
gesetzt. Doch der Mann war 2009 schon im Sauerland aufgeflogen.

Heilbronn (dpa) - Ein Krankenhaus in Heilbronn hat einen in den
Niederlanden wegen Körperverletzung angeklagten Skandalarzt
entlassen. Die Zusammenarbeit mit dem Mann sei mit Bekanntwerden der
Vorwürfe am Freitag nach knapp zwei Jahren beendet worden, teilte der
Geschäftsführer der SLK-Kliniken Heilbronn, Thomas Jendges, am
Samstag mit. Er sei «überrascht und geschockt» gewesen, als von
niederländischen Medien von den Vorwürfen gegen den Neurologen
erfahren habe. Er soll in den größten medizinischen Strafprozess in
der Geschichte der Niederlande verwickelt sein. In Heilbronn soll der
67-Jährige jedoch keinen Schaden angerichtet haben.

Allerdings hatte er vier Jahre zuvor bereits in
Nordrhein-Westfalen Schlagzeilen gemacht: Die «Bild»-Zeitung hatte
2009 berichtet, dass der Mann von einer Klinik in Bad Laasphe (Kreis
Siegen-Wittgenstein) entlassen wurde, nachdem man dort von
Journalisten auf die Ermittlungen in den Niederlanden aufmerksam
gemacht worden war. Einzelheiten waren am Sonntag in Bad Laasphe
zunächst nicht zu erfahren, weil der Klinikbetreiber 2011 Insolvenz
angemeldet hatte. Wahrscheinlich hatte der Arzt nicht unter seinem
richtigen Namen gearbeitet. «Bild» berichtete damals, der Mann sei in
Bad Laasphe als Oberarzt und Neurologe tätig gewesen und nicht durch
Fehler aufgefallen.

Dem Mediziner wird in Holland schwere Körperverletzung in
mindestens 21 Fällen vorgeworfen. Er soll von 1998 bis 2003 im
Krankenhaus in Enschede bei Dutzenden Patienten unheilbare
Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson
fälschlicherweise diagnostiziert haben. Sie waren zum Teil jahrelang
mit schweren Medikamenten behandelt worden. Ein Patient habe
Selbstmord begangen, nachdem ihm fälschlicherweise Alzheimer
attestiert worden war. Bei mindestens 13 Patienten sollen aufgrund
der falschen Diagnosen unnötig Gehirnoperationen ausgeführt worden
sein. «Bei einem Mann wurde 12,5 Kubikzentimeter Hirngewebe
entfernt», sagte Anwalt Yme Drost, der rund 200 mögliche Opfer
vertritt.

2003 hatte das Krankenhaus in Enschede den Arzt entlassen, nachdem
seine Abhängigkeit von Medikamenten bekannt worden war. Er soll auch
Rezepte gefälscht und über 80 000 Euro veruntreut haben. Ein
offizielles Disziplinarverfahren gab es nie. Auf Druck des
Krankenhauses hatte der Arzt sich freiwillig aus dem Ärzteregister
streichen lassen und darf daher seit 2006 nicht mehr in den
Niederlanden praktizieren. Das Strafverfahren gegen den Mann ist
ausgesetzt, da noch Zeugen aus Deutschland vernommen werden sollen.

Das Wichtigste ist für Jendges zunächst, dass der Mann im
Südwesten nichts angerichtet habe: «Das Klinikum schließt derzeit mit

an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus, dass Patienten in
Heilbronn geschädigt wurden», sagte Jendges. Als Assistenzarzt habe
er immer unter der Aufsicht des Oberarztes oder des Chefarztes
gearbeitet. Auch als Stationsarzt habe er keine Eingriffe vorgenommen
oder für Patienten kritische Therapien eingeleitet.

Doch wie kam der Mann 2011 nach Heilbronn? Er sei der Klinik von
einer Ärztevermittlungsagentur als Honorararzt angeboten worden,
berichtete Jendges. Alle notwendigen Urkunden - einschließlich einer
deutschen Approbation und einer Facharztanerkennung - hätten
vorgelegen und keinen Anlass zur Skepsis gegeben. Der Mann habe zuvor
schon an anderen deutschen Kliniken als Honorararzt gearbeitet. In
einem Telefonat habe sich der Chefarzt bei einem Kollegen in Worms
über den Mann informiert - jedoch nur über dessen Teamfähigkeit.
Keines der drei deutschen Krankenhäuser habe vor der Beschäftigung
des Mannes um Referenzen gebeten, sagte ein Sprecher des Medisch
Spectrum Twente der niederländischen Nachrichtenagentur ANP.

Politiker, und Verbände von Ärzten und Patienten in den
Niederlanden reagierten fassungslos: Es sei unvorstellbar, dass der
Skandalarzt in Deutschland ungehindert praktizieren konnte. Hollands
Gesundheitsministerin Edith Schippers wirft der Klinik in Heilbronn
Nachlässigkeit vor: «Das Krankenhaus hätte seinen Namen nur ein Mal
googlen müssen und dann hätten sie das große Elend gesehen», sagte

die rechtsliberale Ministerin. «Wenn ein renommierter Arzt als
Assistent arbeiten will, dann würde ich denken, dass das stinkt.»

Die sozialdemokratische Regierungspartei forderte eine europäische
schwarze Liste, um solche Fälle zu verhindern. Es sei für die
Niederlande unmöglich gewesen, die deutschen Behörden vorher zu
informieren, versicherte Schippers. Grund seien die strengen
Datenschutzbestimmungen in Deutschland und die Zuständigkeit der
Bundesländer.

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