Organspende-Skandal: Minister beurlaubt Chirurgie-Chef

Erst Göttingen, jetzt Regensburg: Der Organspende-Skandal zieht
weitere Kreise. Der Direktor der chirurgischen Klinik in Regensburg
muss vorläufig seinen Hut nehmen. Bayerns Wissenschaftsminister
Wolfgang Heubisch hat ihn beurlaubt.

Regensburg (dpa) - Der Organspende-Skandal im Regensburger
Universitätsklinikum hat erste personelle Konsequenzen: Der Direktor
der chirurgischen Klinik, Professor Hans J. Schlitt, wird mit
sofortiger Wirkung beurlaubt. Das erklärte Wissenschaftsminister
Wolfgang Heubisch (FDP) am Donnerstag in München.

Schlitt ist nach Angaben Heubischs keiner Manipulationen
verdächtig - aber er hat möglicherweise bei der Kontrolle des
hauptverdächtigen Oberarzts versagt, der nach bisherigem
Erkenntnisstand Krankenakten von Leberpatienten manipulierte. «Die
Universität und die Fakultät prüfen, ob er seine Aufsichtspflicht
verletzt hat», sagte der Wissenschaftsminister. In Regensburg wurden
nach derzeitigem Ermittlungsstand von 2004 bis 2006 in 23 Fällen die
Krankendaten bei Lebertransplantationen manipuliert. Die
Staatsanwaltschaft ermittelt.

Der beurlaubte Klinikdirektor ist selbst Transplantationsmediziner
und eine international anerkannte Koryphäe auf seinem Gebiet. Er war
vor der Berufung nach Regensburg an der Universität Sydney in
Australien tätig. «Ein Direktor einer Klinik muss Kontrolle ausüben
über die Oberärzte», sagte Günter Riegger, der Chef des Regensburge
r
Universitätsklinikums. Er habe den verdächtigen Oberarzt aus Hannover
gekannt und ihn selbst nach Regensburg geholt.

Der Fall war ins Rollen gekommen, weil der als «Doktor O.»
bekannte Oberarzt zuerst in Regensburg und später im Göttinger
Uniklinikum Krankenakten gefälscht haben soll. Dabei soll er die
Krankheit auf dem Papier verschlimmert haben, damit den betreffenden
Patienten schneller eine neue Leber implantiert wurde - obwohl andere
sie vielleicht nötiger gehabt hätten. Der Arzt, der seit November vom
Dienst suspendiert ist, bestreitet nach Angaben der Göttinger Klinik
die Vorwürfe. «Er hat sich vermutlich ins Ausland abgesetzt», sagte
Heubisch.

Das Motiv des Oberarzts ist unklar. «Ich glaube, dass das
krankhafter Ehrgeiz und Geltungssucht waren», sagte Riegger. Der
Oberarzt habe sich einen Namen machen wollen. Außerdem hat der
Wissenschaftsminister alle mit Transplantationen befassten
Krankenhäuser in Bayern angewiesen, ihre Akten auf Verdachtsmomente
zu überprüfen. «Mir liegt an größter Offenheit», betonte Heubis
ch.
«Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Mediziner so handelt»,
sagte Heubisch, der vor seinem Wechsel ins Ministerium Zahnarzt war.
«Ich will nicht, dass die Ärzteschaft insgesamt oder die
Transplantationsmedizin in Generalverdacht kommen.»

Die Manipulationen in Regensburg endeten nach Heubischs Angaben
2007. Damals verschärfte die für die Zuteilung der Organe zuständige

niederländische Stiftung «Eurotransplant» ihre Regularien. Seither
müssen die behandelnden Ärzte Original-Labordaten über den
Krankheitszustand ihrer Patienten übermitteln. Ein einzelner Arzt
könne diese Daten nicht manipulieren, sagte Heubisch.