Australisches Contergan-Opfer einigt sich mit Vertriebsfirma

Weil ihre Mutter während der Schwangerschaft ein Schlafmittel mit
Contergan nahm, kam eine Australierin ohne Arme und Beine auf die
Welt. 50 Jahre später bekommt sie von der Vertriebsfirma Geld als
Wiedergutmachung. Ein Musterfall - aber nicht für Deutschland.

Sydney/Aachen (dpa) - In Australien hat ein Contergan-Opfer nach
Angaben seiner Anwälte eine hohe Wiedergutmachung erstritten. Die 50
Jahre alte Lynette Rowe war ohne Arme und Beine geboren worden. Ihre
Mutter hatte während der Schwangerschaft ein Schlafmittel mit dem
Contergan-Wirkstoff Thalidomid eingenommen. Rowe, die eine
Sammelklage eingereicht hatte, einigte sich am Mittwoch nach Auskunft
ihrer Anwälte außergerichtlich mit der Vertriebsfirma des Mittels von
der deutschen Pharmafirma Grünenthal. Diese Übereinkunft ermögliche
Einigungen in mehr als 100 weiteren Fällen, hieß es.

Über die genaue Summe wurde nichts bekannt. Die Eltern der
Klägerin sprachen australischen Medienberichten zufolge von «mehreren
Millionen Dollar», die auch für ihre weitere Pflege benötigt würden
.
Der Wirkstoff Thalidomid wurde unter verschiedenen Namen vermarktet,
in Deutschland hieß das Medikament Contergan.

Die im Rollstuhl sitzende Rowe verklagte Grünenthal, die
australische Vertriebsfirma Distillers Company Biochemicals sowie den
britischen Konzern Diaego Scotland, der die Vertriebsfirma 1997
übernommen hatte. Die außergerichtliche Einigung wurde mit Diaego
erzielt, ein Übereinkommen mit Grünenthal stehe noch aus, berichteten
australische Medien. Das Gericht im Bundesstaat Victoria werde die
Klage gegen Grünenthal voraussichtlich im August 2013 wieder
aufgreifen, sollte es bis dahin zu keiner außergerichtlichen Einigung
kommen, hieß es weiter.

Der frühere Contergan-Produzent Grünenthal kündigte an, sich
weiter juristisch zu verteidigen. Das Unternehmen sei nach wie vor
davon überzeugt, dass es «stets verantwortlich bei der Entwicklung
von Thalidomid» gehandelt habe. Alle Aktivitäten seien mit dem
damaligen Stand der Wissenschaft im Einklang gewesen.

Der Opferverband «Untersuchungsausschuss Conterganverbrechen»
sieht das Aachener Unternehmen nach dem Vergleich in der Pflicht:
«Wenn schon ein Lizenznehmer von Contergan bereit ist, eine solche
Vergleichssumme zu zahlen, was muss dann der Hauptschuldige des
Conterganverbrechens, die Firma Grünenthal und dessen Eigentümer,
leisten?», fragte Verbandssprecher Stephan Nuding.

Deutsche Conterganopfer haben keine Möglichkeit, gegen Grünenthal
zu klagen. Mit Gründung der Contergan-Stiftung 1972, die die
Rentenansprüche der Opfer regelt, waren alle etwaigen Forderungen
nach Schadenersatz gegen den Contergan-Hersteller erloschen.

«Es ist großartig, dass mein Fall auch anderen helfen wird», sagte

die australische Klägerin laut einer Mitteilung. «Man braucht keine
Arme oder Beine, um die Welt zu verändern. Ich sage immer: Sieh den
Menschen und nicht die Behinderung.» Ihr Anwalt Peter Gordon rief die
Herstellerfirma dazu auf, die Verantwortung zu übernehmen.

Der Wirkstoff Thalidomid sei nicht ausreichend getestet worden und
habe nicht als völlig unbedenklich verkauft werden dürfen, heißt es
in der Klage. Schon Jahre bevor Grünenthal 1961 das Mittel vom Markt
genommen habe, sei der Wirkstoff Thalidomid mit Missbildungen bei
Neugeborenen in Verbindung gebracht worden, erklärten die Kläger
weiter.

Contergan hatte Ende der 50er Jahre einen der größten
Arzneimittelskandale ausgelöst. Weltweit kamen 10 000 Kinder mit
schweren körperlichen Missbildungen zur Welt, davon 5000 in
Deutschland.

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