«Schweizer Modell» für den Tod - Weltkongress der Sterbehelfer Von Thomas Burmeister, dpa

Zürich gilt vielen als lebenswerteste Stadt der Schweiz. Aber auch
als Hochburg des Sterbetourismus. In der liberalen Metropole mit
Alpenpanorama treffen sich nun Freitodhelfer aus aller Welt.

Zürich (dpa) - Er schoss das erste Tor der Bundesliga und noch
etliche mehr. Doch nicht deswegen wird Fußball-Legende Timo Konietzka
jetzt in Zürich als Vorbild genannt, sondern wegen seines Todes. Im
März nahm sich der krebskranke 73-Jährige mit Hilfe der Organisation
Exit das Leben, für die er auch in Werbespots aufgetreten war.
Seitdem verzeichnen die Schweizer Freitod-Begleiter einen Rekord an
Mitgliederanfragen. Nun richten sie einen Weltkongress für
Sterbehelfer aus (12.-18.6.).

Im edlen Zürcher Swissôtel treffen sich Delegierte von 55
Mitgliedsverbänden der «World Federation of Right-to-Die Societes»
(WFRtDS). Zweck ist laut Exit «Wissensvermittlung und Austausch, auch
mit Kritikern». Dafür biete die Schweiz wegen ihres liberalen Umgangs
mit der Sterbehilfe ideale Voraussetzungen, sagt Exit-Vizepräsident
und Kongress-Organisator Bernhard Sutter.

Zugleich wird das 30. Gründungsjubiläum von Exit begangen.
Entstanden als Reaktion auf die «Hochrüstung der Medizin» mit knapp
einhundert Unterstützern, zählt der Verein heute laut Sutter mehr als
80 000 Mitglieder.

Angesagt haben sich etliche «Promis» der Suizidhilfe-Szene, wie
der Alzheimer-kranke Fantasy-Autor Terry Pratchett. Konietzkas Witwe
Claudia ist am «Publikumstag» (15.6.) Podiumsgast. Hamburgs
Ex-Justizsenator Roger Kusch, Vorsitzender des Vereins Sterbehilfe
Deutschland, hält eine Rede mit dem Titel «Auch in Deutschland ist
Sterbehilfe zur Realität geworden».

So 'normal' wie in der Alpen- ist sie in der Bundesrepublik jedoch
nicht. Sonst würden Schweizer Sterbehelfer wohl kaum weiterhin mit
Anfragen aus Deutschland überhäuft.

Exit akzeptiert nur Schweizer Antragsteller oder Menschen mit
Wohnsitz in der Schweiz. Offen für Sterbewillige aus aller Welt ist
die Schweizer Organisation Dignitas. Beide helfen bei zunehmend mehr
Selbsttötungen. 2011 waren es insgesamt 465 und damit 111 mehr als im
Jahr zuvor. 72 der 160 Menschen, die sich 2011 in der Schweiz mit
Hilfe von Dignitas töteten, hatten laut dem Verein ihren
Hauptwohnsitz in Deutschland.

Dort laufen Ärzte-Funktionäre und die katholische Kirche Sturm
dagegen, dass Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) in einem geplanten Gesetz zwar kommerzielle Sterbehilfe unter
Strafe stellen will, nicht aber jene, die aus uneigennützigen Motiven
erfolgt.

In der Schweiz ist das längst so. Wer «aus selbstsüchtigen
Beweggründen» bei einem Selbstmord hilft, muss mit fünf Jahren
Gefängnis rechnen. Sterbehelfer von Dignitas deuten das so: «Wer ohne
selbstsüchtige Motive Beihilfe zum Suizid leistet, kann nicht
bestraft werden; er handelt legal.» Behörden und Gerichte lassen das
gelten. Niemand wird verfolgt, der Sterbewilligen auf deren Wunsch
einen «Todescocktail» beschafft und erklärt, wie er einzunehmen ist.


Die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga tritt bei dem
Kongress als Gastrednerin auf. Ihre Regierung hat vor einem Jahr
Einschränkungen der Möglichkeiten zur Sterbehilfe abgelehnt. Nun
spricht sie zum Thema «Wie viel Selbstbestimmung am Lebensende? - Das
Schweizer Modell».

Das Recht auf Selbstbestimmung wird in der Schweiz hoch gehalten.
Doch wie weit es in der Frage von Leben und Tod gehen darf, ist
durchaus umstritten. Selbst manchen Befürwortern macht ein seit
Jahren zunehmender 'Freitod-Trend' Sorgen: der sogenannte
Bilanzsuizid, der Freitod älterer Menschen, die nicht sterbenskrank
sind, aber ihr Leben als erfüllt betrachten. Forschern zufolge macht
der begleitete Suizid bei nicht Todkranken ein Drittel der Fälle aus.

«Die Entscheidung darüber, ob das Leben noch wertvoll genug ist,
um weitergeführt zu werden, obliegt jedem selbst», schrieb die «Neue

Zürcher Zeitung». Doch Selbstbestimmung dürfe nicht missbraucht
werden: «Es darf nicht normal werden, durch Suizid zu sterben.»

# dpa-Notizblock

# Redaktionelle Hinweise
- Bis 1500 sendet dpa Meldung zum Kongressbeginn

## Internet
- [Exit](http://dpaq.de/aQhgq)
- [Dignitas](http://dpaq.de/Mgnyv)
- [WFRtDS](http://dpaq.de/nHfqf)
- [WFRtDS-Kongress](http://dpaq.de/hNfr2)

## Orte
- [Weltkongress](Swissôtel Zürich-Oerlikon, Schweiz)

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