Bizarrer Job in Washington: Schlangesteher im Kapitol Von Julian Trauthig, dpa

Sie arbeiten unauffällig. Sie stehen im Schatten. Ihre Stunde
schlägt, wenn im US-Kongress in Washington eine wichtige Anhörung
ansteht. Schließlich wollen sich die feinen Lobbyisten nicht selbst
die Beine in den Bauch stehen.

Washington (dpa) - Es ist kurz nach neun Uhr vormittags im
US-Kongress. Eric Hopkins, ein stämmiger Mann von 44 Jahren, tritt
von einem Fuß auf den anderen. «Ich bin müde», sagt er. Das Läche
ln
kommt ein bisschen gequält. Seit vier Uhr morgens steht er in einer
langen Schlange in einem Nebengebäude des Parlaments. Seit über fünf

Stunden wartet er schon, versucht seine Augen aufzuhalten. Noch eine
Stunde muss er durchhalten.

Hopkins Beruf heißt «linestander» - auf Deutsch: Schlangesteher.
Wann immer im Kapitol oder im Supreme Court - dem höchsten Gericht
der USA - eine wichtige Anhörung stattfindet, treten Hopkins und
seine schätzungsweise mehr als 100 Kollegen in Aktion. Ihre Aufgabe
ist es, in der Schlange vor dem Einlass für die mächtigen Lobbyisten
einen Platz freizuhalten. «Die Leute sind so wichtig, dass sie ihre
Zeit nicht mit Warten verplempern wollen», erklärt Hopkins.

Fünf Stunden Warten sind für erfahrene «Steher» eher eine
Kleinigkeit. Richtig schwierig sei der Job gewesen, als es um die
umstrittene Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama ging,
berichtete Hopkins. «Drei Tage im Voraus standen wir vor dem Supreme
Court», erzählt er. «Wir haben im Schichtbetrieb gearbeitet und
zwischendurch im Auto geschlafen.»

Lobbys und Interessengruppen spielen in der amerikanischen Politik
traditionell eine große Rolle - eine viel zu große, wie Kritiker
meinen. Mit Millionen und Abermillionen Dollar nehmen die Lobbyisten
Einfluss auf Politiker, umgarnen die Mächtigen. Vor allem
Wahlkämpfern stecken sie Geld zu, und um ihre Interessen
durchzusetzen, melden sie sich auch im Gesetzgebungsprozess zu Wort.

Als besonders mächtig und einflussreich gelten etwa die Vertreter
der Öl- und der Pharmaindustrie sowie die Lobbyisten aus der Wall
Street und die der Rüstungshersteller. Niemand kommt an ihnen vorbei.

Nur zeitraubendes Schlangestehen lieben die Herren Lobbyisten
nicht. Zeit ist Geld. «Ohne uns müssten die Unternehmen ihre hoch
bezahlten Mitarbeiter selbst in die Schlange schicken», sagt Mark
Gross. Gross ist Chef der Firma «qms - Quick Message Service», nach
eigenen Angaben Marktführer im Gewerbe der Schlangesteher. Wie
wichtig der Job im Laufe der Jahre geworden ist, zeigt die simple
Tatsache, dass sich mittlerweile eine Handvoll Unternehmen auf dem
Markt tummeln.

36 Dollar (28,50 Euro) pro Stunde zahlen die Lobbyisten etwa an
«qms». Das Unternehmen wurde 1985 gegründet, zunächst als
Kurierdienst. 1992 fingen die Firma mit dem Schlangestehen an.
Mittlerweile stehen sich 50 Mitarbeiter regelmäßig die Beine in den
Bauch.

Es sind meistens Studenten, Rentner oder Menschen, die zwischen
zwei Jobs stehen. Nur die wenigstens machen es professionell wie Erik
Hopkins. Er ist seit zwei Jahren dabei - und mittlerweile die
Karriereleiter raufgeklettert. Er nennt sich jetzt «Supervisor» bei
«qms».

«Der Job kann hart sein», schildert Hopkins. Doch an diesem Morgen
geht es glimpflich ab. Nach über fünf Stunden erscheint der Herr im
dunklen Anzug, für den Hopkins den Platz freigehalten hat. «Endlich
kann ich nach Hause ins Bett», sagt er erschöpft.

# dpa-Notizblock

## Orte

- [Rayburn-Nebengebäude des Kongresses] (45 Independence Avenue SW,
Washington DC 20515)

## Internet

- [Unternehmen qms] ( http://intern.dpa-q.de/urls/YLLkH)

Die folgenden Informationen sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt

## dpa-Kontakte
- Autor: Julian Trauthig, + 1 202 6621220,
<trauthig.julian.extern@dpa.com>
- Redaktion: Irmgard Kern, +49 30 285231302,
<politik-ausland@dpa.com>

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