Pionier, Pazifist und Quergeist - Hans-Eberhard Richter gestorben Von Carolin Eckenfels, dpa

Er war bei der Friedensbewegung ganz vorne dabei, engagierte sich für
die Umwelt, wetterte gegen Krieg - das Leben des Psychoanalytikers
Horst-Eberhard Richter spiegelt die gesellschaftlichen Bewegungen der
Bundesrepublik wider.

Gießen (dpa) - Er war die Stimme der Friedensbewegung in den
1980er Jahren und wetterte noch im Alter gegen Irak-Krieg,
Globalisierung oder Finanzkrise: Für den Psychoanalytiker
Horst-Eberhard Richter gehörte die Einmischung dazu. Pionier der
psychoanalytischen Familienforschung wurde er genannt, Vater der
Friedensbewegung oder auch Gewissen der Nation. Sich selbst
bezeichnete der Wissenschaftler als «Wanderer zwischen den Fronten» -
so heißt seine vor elf Jahren erschienene Autobiografie. Am Montag
starb Richter nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 88 Jahren
in Gießen, wie am Dienstag bekanntwurde.

In Richters Lebenslauf spiegelt sich auch die
Gesellschaftsgeschichte der Bundesrepublik wider: In den 1980er
Jahren ist er eine Leitfigur der Friedensbewegung. Er wird
Mitbegründer der deutschen Sektion der Ärzte gegen den Atomkrieg
(IPPNW), die 1985 den Friedensnobelpreis bekommt. Er unterstützt die
Umweltbewegung und schließt sich im höheren Alter auch neueren
Bewegungen an wie den Globalisierungskritikern von Attac. «Es gab
immer Gruppen, in denen ich mitschwimmen konnte - und in denen man
von mir erwartete, Anregungen und Ermutigungen zu bekommen», sagte er
einmal.

Bis zuletzt meldete sich der Professor zu Wort, kritisierte die
«organisierte Unmenschlichkeit» des Krieges - etwa im Irak - und
bezeichnete die Finanzkrise als «Kulturkrise, die
bestimmt ist von einem systematischen Werteverfall». Unumstritten war
er nie: So wurde Richter erst nach jahrelangem kommunalpolitischen
Streit 2007 Ehrenbürger der Stadt Gießen, wo er lange lebte und
arbeitete.

Als sanft, aber unerbittlich wurde Richter einmal charakterisiert.
Zu «der» Stimme der bundesdeutschen Friedensbewegung wurde er mit
seiner Satire «Alle redeten vom Frieden» aus dem Jahr 1981. Es ist
vor allem dieser Aspekt, für den die Fraktionsvorsitzenden der Grünen
im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, ihn nach seinem Tod
würdigen: «Er hat nicht haltgemacht bei der Analyse der Gesellschaft
und der sozialen Bewegungen, sondern wurde zum maßgeblichen Teil
dieser Bewegungen, vor allem der Friedensbewegung in Deutschland. Wir
werden ihn als klare und mutige Stimme in Erinnerung behalten.»

Bevor er zum Vordenker der Friedensbewegung wurde, galt Richter
bereits als wichtige Persönlichkeit der psychoanalytischen
Familienforschung. Sein Buch «Eltern, Kind und Neurose» (1963) wurde
zum Standardwerk der Kinderpsychologie und Erziehungswissenschaft. Zu
seinen bedeutendsten Werken gehört das 1979 veröffentlichte Buch «Der

Gotteskomplex».

Richter kommt 1923 als Sohn eines Ingenieurs in Berlin zur Welt.
Hier studierte er Medizin, Philosophie und Psychologie. Nach einer
Zusatzausbildung zum Psychoanalytiker geht er 1962 an die Uni Gießen,
er wird dort auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Psychosomatik
berufen. An der mittelhessischen Hochschule baut er ein
fächerübergreifendes Zentrum für Psychosomatische Medizin auf, das er

30 Jahre lang leitet. Nach seiner Emeritierung wechselte Richter 1992
als Direktor an das Sigmund-Freud-Institut nach Frankfurt und leitet
es bis 2002.

Die geschäftsführende Direktorin des Instituts, Marianne
Leuzinger-Bohleber, würdigte ihren Vorgänger am Dienstag als
moralische Instanz. Die deutsche Psychoanalyse verliere
eine ihrer ganz besonderen Persönlichkeiten, sagte sie im
Deutschlandradio Kultur. Richter sei eine besondere
öffentliche Stimme im gesellschaftspolitischen Diskurs gewesen. Die
Bundesvorsitzenden der Grünen, Claudia Roth und Cem
Özdemir, bezeichneten Richters Arbeit als aufklärerisch. «In einer
Zeit, in der Generationenkonflikte eine besondere Rolle spielten,
zeigte er, wie sehr Glück und Unglück im Leben von den Beziehungen
zwischen Menschen abhängen, insbesondere denen zwischen Eltern und
Kindern.»

Richter führte sein gesellschaftliches Engagement auf die eigenen
Erfahrungen in der Nazi-Zeit und im Zweiten Weltkrieg zurück: «Wir
haben erlebt, dass Wissenschaft instrumentalisiert wurde - und daraus
die Konsequenz gezogen, dass wir keine Spaltung machen wollten
zwischen Denken und Forschen einerseits und gesellschaftlichem
Engagement andererseits.»

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## Internet
- [Sigmund-Freud-Institut)( http://dpaq.de/C0ydu)
- [IPPNW]( http://dpaq.de/hplO6)

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