Businessplan Burnout - Geschäft mit dem Volksleiden Von Karin Finkenzeller, dpa

Das Wort Burnout ist in aller Munde. Das Volksleiden hat eine
Vielzahl von Geschäftsideen hervorgebracht. Ihre Heilkraft ist
allerdings so unbestimmt wie die Diagnose Burnout selbst.

München (dpa) - Sind Sie oft zu müde, um nach der Arbeit noch
etwas zu unternehmen? Haben Sie für Hobbys unter der Woche keine
Zeit? Ist ihr Beruf mehr als ein Job? Leiden Sie unter
Schlafstörungen? Dann ist Ihr Burnout-Risiko deutlich erhöht. So
lautet zumindest das Ergebnis eines der vielen Tests, die im Internet
binnen Minuten eine Diagnose zutage fördern. Nur noch eine Minderheit
der Deutschen, so scheint es, klagt nicht über sogenannte
Erschöpfungsdepressionen. An deren Behandlung oder besser noch
Vorbeugung verdienen längst nicht nur Fachleute. Daraus ist
inzwischen ein viele Millionen Euro schwerer Wirtschaftszweig
entstanden.

«Vor allem Privatkliniken haben das Thema entdeckt. Es wird nicht
schaden, wenn man dahin geht, aber vermutlich auch nichts nützen»,
urteilt Matthias Burisch über die zahlreichen Angebote an
Entspannungs- und Anti-Stress-Therapien, die in solchen Einrichtungen
besonders häufig zahlungskräftigen Führungskräften angeboten werden
.
Der heute 67-jährige Psychologieprofessor war neben dem Schöpfer des
Burnout-Begriffs Herbert Freudenberger einer der ersten, der in
Deutschland das Phänomen erforschte. Seine 1989 unter dem Titel «Das
Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung» veröffentlichte
Forschung, gilt nach wie vor als wissenschaftliches Standardwerk.
«1974 gab es einen ersten Boom», sagt er. «Seit 2006 boomt es
permanent.»

Eine verlässliche ärztliche Diagnose gibt es jedoch bis heute
nicht. Zu diffus ist das Bild aus Erschöpfungszuständen, Abnahme der
Leistungsfähigkeit, Abkapselung von der Umwelt, Depressionen etc. Das
macht es einerseits äußerst schwer, die Zahl der tatsächlich
Erkrankten und adäquate Behandlungsmöglichkeiten zu nennen.
Andererseits spiegelt ein derart unscharfes Bild das Gefühl vieler
«gestresster» Menschen wider. Nach Schätzungen der Krankenkassen
fühlt sich ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung ausgebrannt.
Vor wenigen Jahren standen noch Rückenschmerzen an vorderster Stelle
bei Krankmeldungen. Inzwischen sind es zumeist Burnout-(Aus-)Fälle,
die Deutschlands Wirtschaft laut dem Prüfkonzern Dekra jährlich rund
43 Milliarden Euro kosten.

Kein Wunder, dass Versicherungen mit Hinweis auf Burnout für den
Abschluss von Berufsunfähigkeitspolicen werben. Betriebsräte haben
Anspruch auf eine vom Arbeitgeber bezahlte Schulung bei einem der
tausenden wie aus dem Erdboden sprießenden Anti-Burnout-Coaches.
Honorare von 2000 bis 3000 Euro für ein Tagesseminar sind keine
Seltenheit. Kostet so eine Schulung den Unternehmer doch immer noch
bedeutend weniger als ein Mitarbeiter, auf den er durchschnittlich 30
Tage verzichten muss. Reiseveranstalter haben Angebote für die
geplagte Klientel ins Programm genommen - vom Wellness-Erlebnis im
ehemaligen böhmischen Senioren-Ziel Marienbad bis hin zur
Selbstfindung in der garantiert handyfreien Wüste.

Andreas Hillert flatterten auch schon Angebote für die Dienste
einer Anti-Burnout-Tango-Therapeutin ins Haus. «Die kommerzielle
Potenz der Thematik ist unübersehbar», sagt der Chefarzt der
medizinisch-psychosomatischen Schön Klinik Roseneck im Prien am
Chiemsee. «Von Erholungsangeboten aller Art bis hin zur
strukturierten psychotherapeutischen Depressionsbehandlung kann alles
auch als Burnout-Behandlung deklariert werden.» Die aktuelle
Popularität habe «einen Markt geschaffen, der sich zwar gerne
wissenschaftlicher Vokabeln bedient, aber gleichwohl jenseits
wissenschaftlicher Ansprüche liegt».

Therapeuten, die ihre Arbeit ernst nehmen, müssen sich immer
häufiger der Konkurrenz von Laien stellen, die auf den Zug
aufspringen. «Leute, die ich betreue, stehen oft vor dem Kollaps. Die
brauchen kein Yoga auf La Palma», sagt Frank Berndt, der seine
Burnout-Fachberatung in Neuburg an der Donau bereits seit 1998
betreibt. «Damals gab es noch nicht diesen Hype». Doch im Zuge der
Diskussion um den Fachkräftemangel ist auch die Sensibilität der
Arbeitgeber für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter gestiegen. Das und
die Tatsache, dass das Modewort Burnout die schnöde
Erschöpfungsdepression gesellschaftlich akzeptabel gemacht habe, habe
immerhin einen Vorteil: Menschen mit möglichen Symptomen suchen nun
frühzeitig um Rat. Oft noch, bevor sie ernsthaft krank werden.

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