Apotheker - Traumjob mit Makel Von Heiko Lossie, dpa

Pharmaziestudenten haben blendende Aussichten auf sichere Jobs. Doch
der einstige Traumberuf mit hohem Sozialprestige hat längst auch
Schattenseiten: Der Großteil der Branche verdient vergleichsweise
wenig - und selbst die eigene Apotheke ist kein Selbstläufer mehr.

Berlin (dpa) - Auf den ersten Blick ist die Perspektive traumhaft:
Ein Arbeitsmarkt mit Vollbeschäftigung, auf lange Sicht eher wenig
Nachwuchs und obendrauf noch eine Rentenwelle. So rosig schaut es für
angehende Apotheker aus. Doch auf den zweiten Blick erscheint der
elitäre Beruf - einst mit Arzt, Richter, Lehrer und Pfarrer geachtet
und hofiert - in einem ganz anderen Licht. Das Gehalt angestellter
Apotheker ist im Vergleich zu anderen Berufen mit ähnlich aufwendigem
Studium enttäuschend. Die Zeiten für eine eigene Apotheke waren lange
nicht so schlecht. Und auf dem Land droht schon das Apothekensterben.

Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) gibt es
deutschlandweit 58 000 Apotheker. Gut 12 000 junge Menschen studieren
aktuell Pharmazie. Fast alle, so die Erfahrung, werden in den gut 20
000 öffentlichen Apotheken unterkommen - dort arbeitet mit knapp 50
000 Apothekern der Großteil der Branche, nur wenige Tausend haben
Jobs in Krankenhausapotheken, Industrie, Unis oder Verwaltungen.

Und die rund 50 000 Apotheker in Deutschland sind überaltert: Bis
2020 wird etwa jeder dritte Apothekeninhaber im Rentenalter sein.
Werden die angestellten Apotheker mit berechnet, geht laut ABDA in
den nächsten zehn Jahren jeder Fünfte in Rente. Der Verband wirbt mit
Sprüchen wie «Gesunder Beruf - gesunde Zukunft» um Abiturienten. Denn

der Arbeitsagentur zufolge waren 2009 im Schnitt deutschlandweit nur
550 Apotheker arbeitslos. Auch die Zahl der 12 000 Studierenden wird
sich absehbar nicht erhöhen, weil die Laborplätze begrenzt sind.

Doch die Wahl sollte wohl überlegt sein: Für einen garantierten
Studienstart wird je nach Bundesland eine Abinote zwischen 1,1 und
1,5 benötigt. Das Studium an den 22 Unis und die Staatsexamina gelten
als überaus hart. Apotheker sind absolute akademische Elite - und
dann gibt es im ersten Berufsjahr gerade einmal 3088 Euro brutto. Im
elften Berufsjahr ist die höchste Tarifstufe erreicht: 3745 Euro. Zum
Vergleich: Ein unter-30-jähriger Arzt bekommt als Angestellter in
einem kommunalen Krankenhaus mehr als 4000 Euro brutto, wie das
Statistische Bundesamt errechnet hat. Mit Mitte 40 sind es schon 7300
Euro - ein angestellter Apotheker hat da nur die Hälfte. Er verdient
mit Mitte 40 nur 1000 Euro brutto mehr als ein Lokführer.

Die Apothekengewerkschaft Adexa sagt, der «Verteilungsspielraum»
bei den Gehaltssteigerungen sei die vergangenen Jahre «sehr gering
gewesen» - eine Aussage wie von Arbeitgeberseite. In Apotheken als
«frauendominierten Berufszweigen» werden laut Adexa «generell
niedrigere Gehälter gezahlt als in männerdominierten Branchen». Und
die Pharmabranche ist sehr weiblich: Etwa 70 Prozent sind Frauen.

Was außer Geld macht den Beruf also attraktiv? «Arbeitsplätze in
der Apotheke sind familienfreundlich, wohnortnah und Teilzeitarbeit
ist relativ leicht umsetzbar», sagt ABDA-Sprecherin Ursula
Sellerberg. Die Gewerkschaft Adexa betont, Filialleiter würden über
Tarif bezahlt - dann aber wird die 40-Stunden-Woche in aller Regel
klar überschritten, der Gehaltsvorteil ist also relativ. Auch die
Öffnungszeiten der Apotheken sind so familienfreundlich nicht.

Bleibt das Modell eigene Apotheke - doch auch das wird zunehmend
zum Wagnis: «Unsere Berufsaussichten sind heute eher gemischt», sagt
ein junger Apotheker aus dem niedersächsischen Emsland. Nach einiger
Zeit als Angestellter wagte er vor kurzem die Selbstständigkeit und
kaufte eine ältere Apotheke. Die Kosten hätten in der Größenordnung

einer Eigentumswohnung gelegen. Sein Vater hat im selben Ort seit
Jahren eine Apotheke und später soll der Sohn beide weiterführen.

«Ich habe die Hoffnung, dass das klappt», meint er. «Aber nur,
wenn die Ärztedichte hier so bleibt.» Denn Arztrezepte machten knapp
drei Viertel seines Umsatzes aus. «Das ist ein üblicher Schnitt in
ländlichen Regionen», sagt der junge Apothekenbesitzer. «Ich mache
das hier vor allem, weil ich diesen Job immer wollte, weil der Ort
aus privaten Gründen stimmt und weil es mit Hilfe meines Vaters eine
Perspektive gibt.» Beide teilen sich Personal und kaufen gemeinsam
ein. «Alleine hätte ich das nie gewagt, nicht in diesen Zeiten.»

In Niedersachsen ist jeder vierte Apothekenleiter 60 Jahre oder
älter. Mehr Schließungen seien daher absehbar, sagt die Sprecherin
der Apothekerkammer, Anja Hugenberg. Die «starken wirtschaftlichen
Belastungen» der Gesundheitsreformen verstärkten diesen Trend.

Aus Sicht von Markus Lüngen vom Institut für Gesundheitsökonomie
an der Uni Köln bieten Schließungen auch Chancen. «In der Summe
herrscht ja Überversorgung», sagt er. So wie Patienten schon heute
einen Hausarzt haben, wäre auch eine zentralere Apothekenstruktur
denkbar - so wie in Skandinavien. Eine zentrale «Hausapotheke» könnte

auch die Krankengeschichte der Kunden besser verfolgen und effektiver
vor Nebenwirkungen warnen. Und noch ein Tabu, zumindest aus Sicht der
Apotheker, spricht Lüngen an: Ärzte könnten Arznei direkt ausgeben.

In Hessen hat die Firma CoBox übrigens bereits 15 Video-Apotheken
aufgebaut. In ihnen sprechen Kunden über Bildschirm mit dem Apotheker
in der fernen «echten» Apotheke. Die bestellten Medikamente kommen
per Bote nach Hause. Diese Geschäftsidee scheint Zukunft zu haben.
Die Box kostet monatlich etwa so viel wie ein Teilzeit-Apotheker.

# dpa-Notizblock

## Redaktionelle Hinweise
- Hierzu sendet dpa einen Hintergrund «Geringste Apothekendichte in
Brandenburg» mit Zahlen aus jedem Bundesland - 30 Zl. samt Tabelle.
- Der dpa-Themendienst sendet hierzu ein Service-Stück «Traumberuf
Apotheker? Tipps für Studienwahl und Berufschancen»

## Internet
- [ABDA-Broschüre: Zahlen, Daten, Fakten]( http://dpaq.de/Qzfjl)
- [Destatis-Publikation Verdienste nach Beruf]( http://dpaq.de/6UneX)
- [Studienstandorte für Pharmazie]( http://dpaq.de/TZlL2)
- [ABDA-Kampagne «Studier' Pharmazie]( http://dpaq.de/M7PzF)
- [Numerus Clausus (NC) für Pharmazie]( http://dpaq.de/QBl5l)

## Orte
- [ABDA](Jägerstr. 49/50, 10117 Berlin )
- [Apothekerkammer Nieders.](An der Markuskirche 4, 30163 Hannover)