CDU debattiert über Gesundheitspolizei für Dicke Von Basil Wegener, dpa

«Dicksein ist 'ne Quälerei», sang einst Marius Müller-Westernhagen.

Geht es nach dem CDU-Politiker Wanderwitz, haben Dicke bald eine
Sorge mehr. Sie sollen für die Krankenkasse mehr zahlen. Die
Geldprobleme im Gesundheitswesen dürften solche Ideen weiter
befördern.

Berlin (dpa) - Der Aufschrei kam mit Ansage. «Ich halte es für
sinnvoll, dass bewusst ungesund lebende Menschen eine eigene
Verantwortung auch in finanzieller Hinsicht tragen», erklärte der
CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz in der «Bild». Übermäßiges Essen

beschere der Solidargemeinschaft immense Krankheitskosten. SPD und
Grüne reagierten mit pflichtschuldiger Entrüstung. Bislang sind
Vorschläge zur Bestrafung ungesunden Verhaltens gescheitert - doch
ein Ende der Debatte ist nicht in Sicht.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kanzelte die Wanderwitz-
Idee im «Kölner Stadt-Anzeiger» als «durchweg schwachsinnigen
Vorschlag» ab. Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke schimpfte: «
Es
ist eine bodenlose Dreistigkeit, wie die Union mit dem Finger auf
Übergewichtige zeigt.»

Im Bundesgesundheitsministerium will man sich lieber gar nicht
äußern, um die Debatte nicht anzuheizen. Auch die Krankenkassen
lassen Wanderwitz abtropfen. «Wir wollen unseren Teil dazu beitragen,
dass die Menschen gesund bleiben. Dabei setzen wir auf Prävention und
positive Anreize», meint der Sprecher des Kassenverbands, Florian
Lanz. Und CDU-Experte Jens Spahn lässt seinen Fraktionskollegen
wissen: «Eine Gesundheitspolizei, die kontrolliert, wer was isst, um
ihn dann zu bestrafen, wird es mit uns nicht geben.»

Regelmäßig - und nicht nur im Sommerloch - wird nach der großen
Lösung im ewigen Bemühen um Kostendämpfung bei Gesundheit gerufen.
Ganze Blöcke aus dem Leistungskatalog der Kassen herauszuschneiden,
brächte Milliarden. Schon 2003 riet der Sachverständigenrat im
Gesundheitswesen, die Kassen von Kosten für Unfälle beim Sport, im
Verkehr und Haushalt zu befreien - Sparziel: zehn Milliarden Euro.
Drei Jahre später gab es begleitend zu den Reformverhandlungen von
Schwarz-Rot Schlagzeilen, die Regierung wolle Millionen von Hobby-
Fußballern ans Leder.

Daraus wurde nichts. Wahlen sind mit Streichkonzerten nicht zu
gewinnen - und die Abgrenzung, wann man an einer Krankheit selbst
Schuld ist, ist im Einzelfall oft kaum möglich.

Die letzte Gesundheitsreform brachte nur eine Verschärfung:
Versicherte müssen die Folgen von Komplikationen nach einer
Schönheitsoperation oder einem Piercing seither teils selbst zahlen.
Nennenswerte Einsparungen brachte das den Kassen nicht.

Müssten nun wirklich Dicke stärker blechen, hätte die Politik auf

einen Schlag riesige Sparmöglichkeiten - und mehr als die Hälfte der
Bevölkerung gegen sich. Eine Schätzung der direkten und indirekten
Kosten von Übergewicht und den Folgekrankheiten aus dem Robert Koch-
Institut geht von 7,8 bis 13,6 Milliarden Euro aus. Insgesamt gelten
laut Nationaler Verzehrstudie 66 Prozent der Männer und 51 Prozent
der Frauen als übergewichtig. Geht es nach dem Gesundheitsökonom
Jürgen Wasem, könnte der Staat Alkohol, Schokolade oder
Risikosportgeräte auch einfach höher besteuern. Vorschlag folgt auf
Vorschlag - erst vergangene Woche hatte die CDU/CSU-
Mittelstandsvereinigung eine Praxisgebühr pro Arztbesuch verlangt.

Tatsächlich bastelt die Koalition aber in eine andere Richtung.
Minister Philipp Rösler (FDP) erwägt, dass Kassen Zusatzbeiträge
senken könnten, wenn Versicherte Vorsorge betreiben. CDU-Experte
Spahn sagt: «Eine Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten
ist erklärtes Ziel der Koalition.» So sollen Kassenpatienten künftig

wohl öfter ihren Arzt selbst bezahlen - und das Geld dann von ihrer
Kasse zurückfordern. Bei den Kassen bereitet man sich schon darauf
vor, im Herbst Front gegen solche Pläne zu machen, wenn diese
konkreter werden. Sie wollen nicht, dass Kranke künftig immer mehr
mit den Preisen von Behandlungen und Diagnosen behelligt werden.


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