Verspannungen lösen - Reittherapie für Behinderte Von Stephanie Lettgen, dpa
Stade (dpa) - Auf seinen Rollator gestützt, bewegt sich Nico
ganz langsam auf die Stute Henriette zu. Damit der 15-Jährige mit der
seltenen Erbkrankheit Joubert-Syndrom aufsitzen kann, senkt sich auf
Knopfdruck von der Decke der Reithalle eine Hebeanlage herab. Als
Reittherapeutin Imke Hurz dem schmalen Jungen den Gurt umlegt und die
Maschine ihn auf den Rücken der geduldigen Henriette hebt, stößt Nico
Freudenlaute aus und ergreift lächelnd die Zügel. Hoch zu Ross reitet
er nun, geführt an einer Leine, im Schritttempo eine Runde.
Schon seit 17 Jahren bietet die Lebenshilfe Stade auf dem Hof
Bösch eine Reittherapie für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen
an, derzeit sind es rund 25. Manche von ihnen können normalerweise
nicht ohne fremde Hilfe auf einem Stuhl sitzen. «Zu erleben, wie sie
dann nahezu selbstständig auf einem Pferd sitzen, ist immer wieder
ein kleines Wunder», sagt die Geschäftsführerin der Lebenshilfe,
Gabriele Wartig.
Finanziert wird das heiltherapeutische Reiten ausschließlich ü
ber
Spenden, weil es sich nicht um eine Krankenkassenleistung handelt. Es
sind nur Pferde geeignet, die ausgeglichen sind und nicht leicht
scheuen, heißt es beim Deutschen Kuratorium für Therapeutisches
Reiten in Warendorf (Nordrhein-Westfalen). Im November feiert es 40-
jähriges Bestehen.
Die Schwingungen des Pferdes übertrügen sich
beim Reiten direkt auf das Kind, erklärt Hurz. Das löse
beispielsweise Verspannungen und lasse die jungen Menschen mit
Behinderungen ihren Körper ganz anders wahrnehmen. Die Pädagogin
kennt viele der Schüler schon seit Jahren, hat jeden kleinen
Entwicklungsschritt genau beobachtet. Für jeden entscheidet sie
individuell, wie viel Selbstständigkeit und Verantwortung sie ihm
zutrauen kann. So darf der 15-jährige Autist Mirco nach sechs Jahren
Reittherapie seit einigen Wochen auf Henriette traben und
anschließend langsam selbstständig eine Runde um den Hof reiten.
«Das gibt ihm Selbstvertrauen», sagt Hurz, während sie den b
londen
Jungen aus der Ferne nicht aus den Augen lässt. Als er zurück ist,
spart sie nicht mit Lob: «Spitze gemacht!», ruft sie ihm zu. Noch vor
einigen Jahren konnte Mirco aufgrund seiner Krankheit die Nähe von
Menschen und Berührungen nur schwer ertragen. Nach Angaben seiner
Mutter hat sich das durch den Umgang mit den Pferden geändert. Er
koordiniere zudem schnelle Bewegungen besser, berichtet die 38-
Jährige.
Jakob, der das Down-Syndrom hat, mag besonders gerne den Schimmel
Shalom. Der Reitunterricht habe die Bauchmuskulatur des Jungen
gestärkt, er könne nun viel besser sitzen, erklärt Anke Both, die den
Bereich Lernen bei der Lebenshilfe leitet.
«Wo sollst Du hinreiten?», ruft Reittherapeutin Hurz Jakob zu. Er
weiß genau, was sie meint und reitet mit dem 21 Jahre alten Wallach
zwischen zwei auf dem Boden liegende Stangen hindurch. Anschließend
führt er das Pferd mit einem stolzen Lächeln aus der Halle auf den
Hof. «Ich komme gerne hierher», sagt der 15-Jährige, bevor er unter
Anleitung den Sattelgurt löst und mit der Versorgung seines
vierbeinigen Lieblings beginnt.
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