Experte: Messie-Syndrom wird unterschätzt
München (dpa) - Immer mehr Menschen türmen Müllberge in ih
rem
Wohnzimmer auf und sind mit ihrer Situation hoffnungslos überfordert.
Experten bezeichnen sie als sogenannte Messies - in Anlehnung an das
englische Wort für Unordnung. Schätzungen sprechen von rund zwei
Millionen Messies in Deutschland - die Dunkelziffer dürfte weit höher
sein. «Das Messie-Syndrom wird völlig unterschätzt», sagt Wedigo vo
n
Wedel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in München. Er ist
Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins «H-Team e.V.», der sic
h
seit 20 Jahren mit dem Messie-Phänomen beschäftigt.
An diesem Mittwoch veranstaltet der Verein in München eine
Fachtagung zum Thema: «Desorganisiertes Leben in der eigenen Wohnung
- sind das alles Messies?» «Das Messie-Syndrom ist in aller Munde,
aber keiner weiß so genau, was das eigentlich ist», betont von Wedel.
«Wir brauchen mehr Forschung und vor allem bessere Ausbildung von
Sozialarbeitern. Nicht nur die Betroffenen selbst sind hilflos -
diejenigen, die sie betreuen sollen, auch.»
Messies gibt es nach Angaben von Wedels quer durch die
Gesellschaft. «Es geht von jung bis alt - wir haben auch schon
Jugendliche, die das Problem haben», betont er. Ein Armutsphänomen
sei das Syndrom nicht. «Es sind alle Schichten betroffen.» Allerdings
könnten - vor allem bei älteren Menschen - «traumatische
Armutserfahrungen» in der Jugend ein Grund für den zwanghaften
Sammelwahn sein. Die Ursachen sind in fast allen Fällen
sehr ähnlich. «Wir finden bei annähernd jedem Fall schmerzhafte
Verluste - den Tod eines nahen Angehörigen zum Beispiel», sagt er.
«Viele mussten viel zu früh Eigenverantwortung übernehmen und
fühlen sich chronisch überfordert. Oft kommen dann noch gescheiterte
Beziehungen und Beziehungsängste dazu.» Eine komplett zugestellte
oder zugemüllte Wohnung biete vielen Menschen ein Gefühl von Schutz
und Geborgenheit. «Zumauern, Höhle bauen», erklärt von Wedel. «We
nn
jemand immer wieder von Menschen enttäuscht wurde, sagt er: "Meine
Bücher sind mir wenigstens treu".» Eine solche Einstellung führe aber
meist dazu, dass soziale Kontakte einschlafen oder ganz abbrechen.
Nicht jeder, der unordentlich sei, sei aber gleich ein Messie,
sagt von Wedel. Keine Lust, aufzuräumen, das kenne jeder. «Wenn man
aber merkt, dass diese "Aufschieberitis" unheimlich frustrierend und
deprimierend wird, dann sind die Probleme da.»
Gespräch: Britta Schultejans, dpa
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