Riskante Ehen in Saudi-Arabien Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Dschidda (dpa) - In der Abflughalle des Flughafens von Riad ist es
still. Die Menschen, die auf den Abflug der Frühmaschine nach Hail
warten, sind noch schlaftrunken. Sie beobachten zwei Jungen im
Grundschulalter. Einer von ihnen stößt unverständliche Laute aus und
wackelt auf seinem Sitz unablässig mit den Beinen. Der zweite Junge
ist etwas älter. Sein Rücken ist leicht gekrümmt. Neben ihnen sitzt
der Vater mit seinen beiden schwarz verschleierten Ehefrauen, den
Müttern der Kinder. Die Jungen wurden geboren, bevor die Regierung
von Saudi-Arabien 2004 den obligatorischen Bluttest für Verlobte
einführte. Primäres Ziel dieser Untersuchungen, der sich jedes Paar
vor der Heirat unterziehen muss, ist es, die Quote von Kindern mit
erblich bedingten Krankheiten zu senken.

Denn in dem konservativen islamischen Königreich werden Ehen
häufig zwischen Verwandten geschlossen. Dabei sind die
gesundheitlichen Risiken dieser Verbindungen inzwischen auch in dem
Golf-Staat bekannt.

In der Hafenstadt Dschidda am Roten Meer gibt es drei Zentren für
diese Blutuntersuchungen, zu denen die Heiratswilligen gemeinsam
erscheinen müssen. Da das Zusammensein von Männern und Frauen vor der
Eheschließung verboten ist, werden die Verlobten in der Regel von
einem männlichen Familienmitglied der Frau begleitet. «Wenn der Arzt
feststellt, dass jemand Träger einer Erbkrankheit ist, dann teilen
wir das den Heiratswilligen mit, danach können sie dann tun, was sie
wollen», erklärt Schadia Madbuli, Ärztin am König Abdulasis
Universitätskrankenhaus in Dschidda. Ein Heiratsverbot für Paare mit
hohem Risiko gibt es in Saudi-Arabien aber genauso wenig wie Paare,
die sich nach dem Test zwar für die Ehe, aber gegen Kinder
entscheiden. Denn in einem Land, wo es bis heute normal ist, fünf
oder mehr Kinder zur Welt zu bringen, ist das Konzept der kinderlosen
Ehe aus Liebe gesellschaftlich nicht akzeptiert.

Die ersten Statistiken über die obligatorischen Untersuchungen,
die seit 2008 auch einen Aids- und einen Hepatitis-Test umfassen,
sind ernüchternd. Laut einer 2007 veröffentlichten Studie mit 488 315
Heiratswilligen fand man 2375 «Paare mit hohem Risiko». Doch nur 11,4
Prozent dieser Paare entschlossen sich, die Heirat abzusagen. 89,6
Prozent heirateten trotzdem und bekamen Kinder. Obwohl sie wussten,
dass die Wahrscheinlichkeit für eine Erbkrankheit ihrer Kinder sehr
hoch ist. Zu den erblich bedingten Blutkrankheiten, die in Saudi-
Arabien stark verbreitet sind, gehören Thalassämie und die
Sichelzellkrankheit.

Unter allen Verlobten, die für die Studie untersucht wurden,
litten 0,07 Prozent unter Thalassämie, 3,22 Prozent trugen die Anlage
für diese Krankheit in sich. Die Sichelzellkrankheit wurde bei 0,26
Prozent der Untersuchten festgestellt. 4,2 Prozent waren zwar nicht
erkrankt, könnten die Anlage für diese Krankheit jedoch in ihrem
Erbgut an die nächste Generation weitergeben. «Anfangs waren die
Leute skeptisch. Doch inzwischen ist die Akzeptanz recht gut, denn
viele Familien, in denen schon seit Generationen innerhalb der
Verwandtschaft geheiratet wird, leiden sehr unter diesen
Krankheiten», erklärt die Medizinerin Madbuli.

Al-Jawhara al-Scherif, die in Dschidda für einen internationalen
Konzern arbeitet, findet die Blutuntersuchungen nicht nur wegen des
Risikos der Verbreitung von Erbkrankheiten wichtig. Die junge Frau
sieht in den Tests auch eine Möglichkeit, um die Doppelmoral der
Männer zu entlarven. Denn in Saudi-Arabien ist Sex vor der Ehe
gesetzlich verboten, und die Mädchen halten sich in der Regel auch an
dieses Verbot. Bei den Männern sieht es aber oft anders aus; vor
allem auf Auslandsreisen befriedigen einige von ihnen ihren
Sexualtrieb mit Zufallsbekanntschaften oder Prostituierten. «Diese
Tests verhindern, dass ein Mann, der sich im Ausland mit dem HI-
Virus oder einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit angesteckt
hat, diese dann an seine Ehefrau weitergibt», sagt Al-Scherif. Laut
einer neuen Studie wurden durch die vorehelichen Bluttests innerhalb
von zehn Monaten 49 HIV-Infektionen entdeckt.
dpa abc xx a3 k6 pn

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