Hoffnung durch Technik - Implantat für Schwerhörige Von Jörg Schurig, dpa
Dresden (dpa) - Manche Geräusche hatte Elke Beger aus Großenhain
einfach vergessen. Zum Beispiel wie es klingt, wenn der Wasserkocher
brodelt. Auch Vogelgezwitscher hörte die 49-Jährige eines Tages nicht
mehr. «Wenn etwas allmählich verschwindet, fällt das oft gar nicht
auf. Erst wenn die Geräusche wieder da sind, merkt man ihren früheren
Verlust», sagt die Sekretärin. 2002 erlitt sie einen Hörsturz. In den
Jahren darauf wurde ihr Hörvermögen immer schlechter. «Anfangs will
man das überspielen, aber irgendwann geht das nicht mehr.»
Manchmal erfuhr sie erst durch Reaktionen anderer, dass etwas
schief lief. So, wenn die Zuschauer im Kino plötzlich an ganz anderen
Stellen lachten. Elke Beger lebte da schon in ihrem eigenen Film.
Gesprächen in der Runde vermochte sie nicht mehr zu folgen. Auf
Fragen gab sie Antworten, die gar nicht passten. Nur wenn sie ihrem
Gegenüber die Worte vom Munde ablesen konnte, verstand sie fast
alles. «Ich war verzweifelt, ich habe mich immer mehr zurückgezogen»,
sagt die zierliche Frau.
Doch dann hat sie Stärke gezeigt. Im April 2009 entschied sie sich
für einen Eingriff, der inzwischen Tausenden Patienten in Deutschland
neue Lebensqualität bescherte. Frau Beger ließ sich ein sogenanntes
Cochlea-Implantat, ein Innenohr-Implantat, einsetzen. Ein Teil der
Apparatur ist dabei am Ohr befestigt, der andere sitzt im Kopf. «Der
Leidensdruck muss hoch sein, wenn man sich den Schädel auffräßen
lässt», sagt sie im Rückblick und lächelt. Seit sie wieder ihre
Katzen schnurren hört, kann die 49-Jährige wieder öfter lächeln.
Dirk Mürbe, Ärztlicher Leiter des Sächsischen Cochlea Implant
Centrums am Universitätsklinikum in Dresden, beschreibt die Bedeutung
des Hörsinns mit einem Zitat von Immanuel Kant: «Nicht Sehen können,
trennt von den Dingen, nicht Hören können von den Menschen.»
Tatsächlich vermag sich ein gesunder Mensch nicht vorzustellen, was
Taubheit bedeutet. Wie ist ein Leben ohne Musik, ohne Radio, ohne die
vielen schönen Geräusche des Alltags, wenn ein Kind lacht oder Jubel
sich mit Freudentränen mischt?
Mürbe und HNO-Klinikdirektor Thomas Zahnert haben in Dresden ein
interdisziplinäres Zentrum für Cochlea Implantate aufgebaut und sich
mit ihrer Arbeit auch international einen Namen gemacht. 1993 wurden
in Dresden die ersten Implantate eingesetzt, inzwischen sind es mehr
als 450. Was die Sachsen von anderen unterscheidet, ist das
ganzheitliche Konzept. Neben Fachärzten fühlen sich spezielle
Pädagogen, Psychologen, Sprachtherapeuten, Logopäden, Ingenieure,
Ergotherapeuten und andere Spezialisten für die Patienten zuständig.
Denn mit der Operation ist der Fall nicht erledigt. Im Bereich
«Anpassung» erfolgt die Feinabstimmung. Ein Cochlea Implantat ist ein
kleines technisches Wunderwerk. Am Ohr sitzt ein Sprachprozessor. Er
formt den von einem Mikrofon aufgenommenen Schall in ein elektrisches
Signal um. Ein Sender überträgt es kabellos an das Implantat. Dieses
wiederum leitet entsprechende Stromimpulse an eine in der Hörschnecke
platzierte Elektrode weiter, die den Hörnerv stimuliert. Auf diese
Weise wird auch Katzenschnurren oder Vogelgezwitscher wieder hörbar.
Beger hat unterdessen auch eine «Direktübertragung» kennengelernt
- bei einem Orgelkonzert in der Dresdner Frauenkirche. Hier wurde für
betroffene Patienten eine Induktionsschleife gelegt. Das Signal kommt
so nicht mehr indirekt über den Widerhall im Raum, sondern ist auf
«kurzem Weg» zu empfangen. «Da habe ich das erste Mal wieder Freude
an der Musik gespürt», sagt die Sekretärin. Nach und nach will sie
sich nun andere Töne erschließen. Das Implant-Centrum hilft dabei. Es
betreut Patienten beim «Hören-Lernen» zunächst zwei Jahre lang.
Die kleinsten Patienten in Dresden sind noch nicht einmal ein
Jahr. Für sie und ihre Eltern wurden Wohnungen und ein Spielzimmer
eingerichtet. Wer die Kleinen herumtollen sieht, glaubt nicht an ihre
Behinderung. Für sie ist das alles vertraut. Für sie gehört der
«kleine Mann im Ohr» zum Leben.
(Internet: www.uniklinikum-dresden.de/scic)
[Cochlear Implant Centrum]: Fetscherstr. 74, 01037 Dresden
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