60 Jahre DGB: Erfolge, Niederlagen und Skandale Von Günther Voss, dpa
Berlin (dpa) - 60 Jahre und kein bisschen leise: Auch im
Jubiläumsjahr erheben der Deutsche Gewerkschaftsbund und sein
Vorsitzender Michael Sommer unüberhörbar die Stimme für Gerechtigkeit
und Solidarität. Erst recht nach dem aus DGB-Sicht enttäuschenden
Ergebnis der Bundestagswahl.
«Die Gewerkschaften sind das Stärkste, was die Schwachen haben»,
wirbt er für seine Sache. Für Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt
stehen «60 Jahre Sozialpartnerschaft für sechs Jahrzehnte
erfolgreicher wirtschaftlicher Entwicklung». Am kommenden Montag wird
dieses Kapitel zusammen mit Bundespräsident Horst Köhler bei einem
Festakt im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt aufgeblättert.
16 Einzelgewerkschaften lassen im Oktober 1949 die Zersplitterung
der Arbeiterbewegung in Richtungsgewerkschaften endgültig hinter
sich. Der DGB-Gründungskongress in München fasst antikapitalistische
Beschlüsse, fordert die Sozialisierung von Schlüsselindustrien und
Wirtschaftsplanung.
Unter dem DGB-Dach sind damals 5,5 Millionen Gewerkschafter
versammelt. 60 Jahre später sind es knapp 6,4 Millionen. Kurz nach
dem Mauerfall waren es sogar mal 11,8 Millionen. Die Zahl der
Einzelgewerkschaften halbierte sich seither - fast parallel zum
Mitgliederschwund - auf acht.
Der DGB versteht sich als «politischer Arm» der Gewerkschaften.
Dennoch bläst ihm zuweilen der Wind auch kräftig aus den eigenen
Reihen ins Gesicht. IG-Metall-Chef Berthold Huber malte im Streit um
eine Organisationsreform schon mal den «Konkurs des DGB» an die Wand.
Eine Allensbach-Umfrage zum Ansehen der Gewerkschaften erbrachte
aber jüngst gute Befunde: 59 Prozent der Bürger halten sie für
zeitgemäß, nur 18 Prozent für überholt. In Krisenzeiten überrasch
t
das nicht. Denn wer um den Job bangt, setzt gerne auf Unterstützung.
In ihrem Kampf um Urlaubsgeld, Lohnfortzahlung, Mindestlöhne,
Kündigungsschutz oder Mitbestimmung können die Gewerkschaften
durchaus Erfolge vorweisen. In Erinnerung sind die machtvollen
Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze und gegen Sozialabbau, die
Konflikte um die Einführung der 35-Stunden-Woche ebenso wie die
verlorene Schlacht um den Streikparagraphen 116.
Unvergessen ist der Skandal um den gewerkschaftseigenen
Wohnungsbaukonzern Neue Heimat, der die Gewerkschaften zum Rückzug
aus der Gemeinwirtschaft zwang. Mit dem Kollaps der überschuldeten NH
Anfang der 80-er Jahre standen sie - nicht zuletzt wegen der Raffgier
der eigenen Manager - auch ideologisch vor einem Scherbenhaufen.
Der DGB als Dachverband besitzt keine Tarif- und Finanzhoheit -
und er ist abhängig von den Mitgliedsgewerkschaften. Sie entscheiden,
wer an der DGB-Spitze steht. Insider sagen, den Chefs von IG Metall,
Verdi und Co. sei egal, wer unter ihnen DGB-Vorsitzender ist.
Nach der Deutschen Einheit vollzog auch der DGB programmatisch
eine Wende: Im Grundsatzprogramm von 1996 schloss er Frieden mit dem
Kapitalismus, zumindest mit der «sozial regulierten Marktwirtschaft».
Deregulierung und Auswüchse an den Finanzmärkten sorgten zuletzt aber
wieder für radikalere Töne im Gewerkschaftslager: Das alte Feindbild
ist wieder sichtbar.
Bis zuletzt keinen Frieden schlossen die Gewerkschafter mit den
Agenda-2010-Reformen und der Rente mit 67. Ein Problem für sie sind
die immer größer werdenden weißen Flecken in der Tarif-Landschaft: Im
Osten Deutschlands gelten Tarifverträge nur noch für gut die Hälfte
der Beschäftigten, im Westen für knapp zwei Drittel.
Unliebsame Konkurrenz ist ihnen in den Spartengewerkschaften für
Lokführer, Piloten oder Krankenhausärzte erwachsen. Ein Dorn im Auge
sind ihnen aber auch die Christlichen Mini-Gewerkschaften: Die führen
nicht nur die Idee der Einheitsgewerkschaft ad absurdum, sondern
«untertunneln» mit ihren «Billig-Abschlüssen - wie DGB-ler schimpfe
n
- das Tarifgefüge und schwächen damit die DGB-Durchsetzungskraft.
(Achtung: Chronologie 60 Jahre DGB bis 1415 - ca. 40 Zl)
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