Saubere Gebetsteppiche und «unreine» Schweine Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Kairo (dpa) - Die Angst der Ägypter vor der Schweinegrippe ist
echt. Denn das Land am Nil ist, weil Mensch und Tier hier oft auf
engstem Raum zusammenleben, von der Vogelgrippe stark betroffen. 26
Todesfälle wurden seit 2006 registriert. «Vogelgrippe,
Schweinegrippe», in den Ohren vieler Menschen klingt das ähnlich -
auch wenn es bislang keinen Fall von Schweinegrippe in Ägypten gibt.
Zwar haben Wissenschaftler festgestellt, dass das Risiko - anders
als bei der Vogelgrippe - diesmal in der Übertragung des Virus von
Mensch zu Mensch und nicht vom Tier auf den Menschen liegt. Doch die
ägyptische Regierung hofft wohl, dass sie auf der Welle der Angst vor
der Schweinegrippe nun eine politische Entscheidung durchsetzen kann,
die vor einigen Jahren wegen «möglicher religiöser Spannungen» nich
t
zustande gekommen war. Bereits 2006 war im Parlament darüber
diskutiert worden, ob man das Zusammenleben von Menschen und
Schweinen in den Vierteln der christlichen Müllsammler von Kairo
nicht beenden sollte, weil es unhygienisch ist und gesundheitliche
Risiken birgt. Doch diese Maßnahme, die auch von einigen Kopten
gutgeheißen werden würde, ist politisch brisant. Denn islamistische
Kreise in Kairo wären heilfroh, die grunzenden Vierbeiner endlich
loszuwerden, weil sie nach islamischem Glauben «unrein» sind und
nicht verzehrt werden sollten.
Die Argumente der Grippe-Experten, die in der Schlachtung der
ägyptischen Schweine eine «unnötige» Maßnahme sehen, hat die
Regierung in Kairo in den vergangenen Tagen bewusst unter den Tisch
gefegt. Dass man ganz froh ist, das Problem der Schweinehaltung in
der Stadt nun auf diesem Wege zu lösen, haben Behördensprecher
derweil schon anklingen lassen. Dass die ganze Angelegenheit
vielleicht auch mit der wachsenden religiösen Intoleranz im Lande zu
tun hat, wird offiziell dagegen vehement geleugnet, sowohl von der
Regierung als auch von der Kirche, die nicht an Konfrontationen
interessiert ist. «Wir haben mit der Frage der Schlachtung der
Schweine nichts zu tun», sagte ein Vertreter der koptischen Kirche am
Sonntag vor Reportern. Zuvor war er in das Viertel der Müllsammler
gefahren, um die Christen zu beschwichtigen. Diese hatten Polizisten,
die gekommen waren, um die Schweine notfalls auch gegen den Willen
ihrer Besitzer abzutransportieren, mit Steinen und Flaschen beworfen.
Kinder mit verfilzten Haaren, die neben der notdürftig
zusammengezimmerten elterlichen Behausung über einen Müllberg
klettern, in dem Schweine nach Essensresten wühlen: Das ist der
Alltag in den Vierteln der Müllsammler und Schweinezüchter. Die
Züchter selbst sind nicht alle grundsätzlich gegen die Schlachtung.
Sie klagen jedoch über zu niedrige Schadenersatzzahlungen seitens der
Regierung. Auch ist bislang unklar, was in der Mega-Metropole Kairo
künftig mit dem Abfall geschehen wird, den man bis jetzt den
Schweinen zum Fraß vorgeworfen hatte.
Da die Muslimbruderschaft, die größte ägyptische
Oppositionsbewegung, das Argument, dass die Schweine «unrein» seien,
in der Diskussion um die Schweinegrippe vorangestellt hat, wittern
einige Kopten nun hinter der Kampagne gegen die Schweine eine
Diskriminierung der Kopten, die von der Schweinezucht leben.
Gesundheitsminister Hatem al-Gabali rät seinen Landsleuten
derweil, als Vorsichtsmaßnahme gegen die Schweinegrippe auf der
kleinen Wallfahrt nach Mekka («Umrah») nur auf dem eigenen
Gebetsteppich zu beten. Grundsätzlich sollte man sich von
«überfüllten Verkehrsmitteln» fernhalten, zitiert die staatliche
Nachrichtenagentur MENA den Minister. Wie die Mehrheit der
einkommensschwachen Ägypter zur Arbeit gelangen sollen, ohne in einen
der chronisch überfüllten Busse oder Metro-Waggons zu steigen,
verriet er nicht.
dpa abc xx z2 hu
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